Boese Maedchen sterben nicht
Sorgen machen müssen, aber die schreckliche Erfahrung in dem Feuer haftete noch immer an mir wie ein zweiter Schatten, der in der langsam hereinbrechenden Dämmerung noch düsterer wirkte. Die Wärme, die der Asphalt den Tag über gespeichert hatte, stieg vom Boden auf, und ich strich mir die Haarspitzen aus den Augen, während ich den Horizont nach Schwarzflügeln absuchte, die nicht kommen würden. Wozu auch, schließlich hatte ich ja schon alles erstklassig geregelt. Dank mir würde Tammy sterben, ohne dass sich Todesengel einmischen mussten. Die Seraphim freuten sich da oben wahrscheinlich einen Ast ab. Das war mal eine schwarze Zeitwächterin, die die Menschen in einem fünfminütigen Gespräch dazu brachte, sich selbst das Leben zu nehmen.
»Du hast keine Seele«, murmelte Barnabas völlig unvermittelt Nakita zu und ich sah erschrocken auf. »Nur Geschöpfe der Erde haben Seelen.«
Seelen?, wunderte ich mich und dachte zurück an Nakitas letzte Worte, bevor Barnabas aufgebrochen war. Ich drehte mich zu ihr um und sie stand mit aufeinandergepressten Lippen da, ihr Handtäschchen fest umklammert.
»Hab ich wohl«, erwiderte sie trotzig, aber sie wirkte auch ein bisschen besorgt. »Ich empfinde Angst«, erklärte sie, als fände sie nun zum ersten Mal die Kraft dazu. »Ich bin kreativ. Ich glaube, ich könnte sogar lieben. Und ich würde sagen, das deutet ziemlich sicher darauf hin, dass ich eine Seele habe. Sie ist vielleicht nicht so perfekt wie Madisons, aber ich habe eine. Und sie könnte in Gefahr sein, wenn ich Tammy sterben lasse.«
Verwirrt sah ich von einem zum anderen. Nakita wirkte nervös, so als hätte sie etwas ausgefressen, und Barnabas blickte genervt und missmutig drein. »Ihr habt keine Seelen?«, fragte ich und Barnabas sah auf seine ausgeblichenen Sneakers.
»Engel haben so was nicht«, erklärte er und seine Stimme klang verbittert, beinahe neidisch. »Auch nicht, wenn man da oben rausgeflogen ist.«
Ein Lastwagen rauschte vorbei und ich hielt mit der Hand meine Haare zusammen. »Wer sagt denn das?«
»Ich habe eine Seele«, beharrte Nakita, aber in ihrem Gesicht stand Angst. »Ich habe ein Stück von Madisons.«
Von meiner? Wie konnte sie ein Stück von meiner Seele haben?
»Ich … glaube nicht, dass ich es dir zurückgeben kann«, sagte Nakita. »Es tut mir leid.« Sie warf mir einen flehenden Blick zu und in ihren blauen, sorgenvoll zusammengekniffenen Augen lag Verzweiflung. »Es ist nur ein ganz kleines Scheibchen von deiner. Das muss in mir hängen geblieben sein, als die Schwarzflügel mich angegriffen haben. Ich kann die Seraphim fragen, ob sie es dir zurückgeben können, wenn du möchtest. Das könnte einiges leichter machen. Ich glaube, wir dürfen eigentlich keine -«
»Nein!«, fuhr ich dazwischen und Barnabas’ Augen wurden schmal. »Nein«, wiederholte ich etwas leiser. »Behalt es. Bist du ganz sicher? Ich meine, ich hab nicht das Gefühl, als würde mir irgendwas fehlen.«
Nakita lächelte glückselig, als hätte sich soeben eine große Last von ihr gehoben. »Ich kann es spüren«, sagte sie fest. »Ich weiß schon seit dem Angriff der Schwarzflügel, dass es da ist. Aber ich wusste nicht, was es ist, denn manchmal tut es auch irgendwie weh in mir drin, aber selbst dann fühlt es sich immer noch gut an.« Schüchtern hob sie den Blick und sah mich an. »Danke.«
Ich berührte sie am Arm, um ihr zu zeigen, dass ich wusste, wie viel Überwindung sie das gekostet hatte. »Keine Ursache.« Sie hatte ein Stück von meiner Seele in sich? Mann, was hatte ich damals bloß mit ihr angestellt?
»Du hast kein Stück von Madisons Seele in dir«, sagte Barnabas verächtlich.
»Hab ich doch!« Nakitas Wut brach sich Bahn. »Und jetzt halt die Klappe, du blöder weißer Engel! Du hast keine, also hast du auch keine Ahnung davon!«
»Nakita«, mahnte ich, aber Barnabas wirkte eigentlich ganz zufrieden mit dieser Bezeichnung - auch wenn sie streng genommen nicht ganz korrekt war. Seine Augen waren auf den Verkehr gerichtet. Ich folgte seinem Blick und beschloss, dass die Lücke groß genug war, um mich mit der Unterstützung zweier Engel auf die andere Seite zu wagen. »Gehen wir«, sagte ich. »Nakita, ich bin froh, dass du ein Stück von meiner Seele hast. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich die Schwarzflügel auf dich gehetzt habe. Behalt es. Mach es zu deinem eigenen.«
Eine Hitzewelle stieg auf, als ich auf den Asphalt trat. Ich hörte, wie die beiden
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