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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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mir folgten, zuerst langsam, dann schneller, während hinter uns die Autos vorbeirasten. Barnabas beeilte sich, zu mir aufzuschließen, und als wir auf der anderen Seite ankamen, flüsterte er: »Glaubst du, sie hat wirklich ein Stück von deiner Seele?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn sie das sagt. Ich hab nicht das Gefühl, dass mir irgendwas fehlt.«
    Nakita ging an uns vorbei auf das Mehrfamilienhaus zu. Sie wirkte fröhlich und beschwingt, offenbar war sie wirklich erleichtert, dass die Sache mit ihrer Seele nun geklärt war. »Tammy ist zu Hause. Ich kann ihre Resonanz im dritten Stock spüren.«
    Barnabas und ich erreichten gleichzeitig den Bürgersteig. Er wirkte verärgert. »Barnabas«, begann ich, doch er schnitt mir das Wort ab.
    »Alles in Ordnung«, sagte er barsch.
    »Wer behauptet denn, dass du keine Seele hast?«, fragte ich. »Vielleicht ist das ja sogar der Grund, warum du da oben rausgeflogen bist.«
    Er wurde langsamer und blickte mich verwundert an. Etwas in mir zog sich zusammen, als ich ihn so sehr leiden sah. »Ich habe keine Seele«, stellte er klar, aber in seiner Stimme lag ein Hauch von Zweifel. »Wir wurden nicht dafür geschaffen, eine zu haben. Wir wurden geschaffen, um Gottes Schöpfung zu dienen, und nicht, um uns daran zu erfreuen.«
    Dienen?, dachte ich und speicherte den Gedanken ab, um später genauer darüber nachzudenken. »Na ja, aber du bist schließlich rausgeflogen, weil du dich in jemanden verliebt hattest, oder etwa nicht?«, entgegnete ich und beobachtete, wie sich meine Schuhe über die Rillen im Gehsteig bewegten, während wir Nakita langsam folgten. Es war das erste Mal, dass ich mich traute, ihn nach seiner Vergangenheit zu fragen. Und obwohl er sich sichtlich unwohl fühlte, wollte ich es jetzt endlich wissen. »Du hast die Seele eines Menschen und das Leben selbst schätzen gelernt. Man kann nichts schätzen, was man selbst nicht hat, oder?«
    »N-nein«, stammelte er, aber Nakita war schon an der Haustür angelangt und hielt sie für uns auf. Kühle Luft drang nach draußen, aber das war nicht der Grund, warum ich erschauderte. Natürlich hat Barnabas eine Seele. Oder?
    Ich folgte Nakita ins Haus über einen ausgeblichenen Teppich mit schwarzen Flecken darauf, die altes Kaugummi sein mussten. Es roch nach getrocknetem Matsch und auf der schmalen Fußleiste zwischen der mit Teppichboden ausgelegten Treppe und der Wand lag eine dicke Staubschicht. Eine Wand war von unzähligen Briefkastenschlitzen überzogen, davor stand ein verkratzter Tisch. Ein paar Briefe lagen darauf und sonst nichts.
    »Gehen wir rauf?«, schlug ich vor und Nakita ging voran, dann ich und zum Schluss Barnabas, der wahrscheinlich noch immer über seine Seele - oder vielmehr darüber, dass er keine hatte - nachgrübelte. Irgendjemand hatte seine Musik voll aufgedreht, und je höher wir kamen, desto lauter wurde der Krach.
    Wir passierten die zweite Etage und begannen, die Stufen der letzten Treppe hochzusteigen. Die Musik kam aus dem dritten Stock. Sie wummerte durch mich hindurch und zu den Bässen gesellten sich eine Gitarre und aggressiver Gesang. Meine Neugier wich einem unguten Gefühl, als mir klar wurde, dass die Musik aus der Wohnung kam, vor der Nakita stehen geblieben war. C3, Eckwohnung, oberstes Stockwerk. Es war nicht schwer zu erraten, dass Tammys Mutter wohl nicht zu Hause war.
    Plötzlich unsicher wischte ich mir die Hände an meiner Jeans ab. Ich hatte keinen Schimmer, was ich sagen sollte, ohne dass ich mich total irre anhörte. Aber wen interessierte jetzt noch, ob ich mich irre anhörte? Die Erinnerung an den Tod der beiden war zu schrecklich, um zu riskieren, dass sie Wirklichkeit wurde.
    »Was ist denn jetzt?«, drängelte Nakita.
    »Das ist kein guter Plan«, sagte Barnabas, doch er beugte sich an mir vorbei, drückte auf die Klingel und klopfte an die lackierte Tür.
    Plan? Wer hat denn was von einem Plan gesagt? Ich hab jedenfalls keinen! Voller Panik durchforstete ich mein Gehirn, als ein Hund zu bellen begann und in dem dünnen Lichtstreifen unter der Tür wild umhertapsende Pfoten sichtbar wurden. Aus der Wohnung drang eine Jungenstimme, die dem Hund befahl, ruhig zu sein. Dann, mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen der Bässe, öffnete sich die Tür.
    »Ja?«, fragte Johnny, der kaum von seinem Videospiel aufblickte, während im Hintergrund »Fake it« von Seether plärrte. Mit einem Fuß hielt er den kleinen sandfarbenen Hund zurück. Er trug noch immer seine

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