Boese Maedchen sterben nicht
mir leid, Mr Tambu. Johnny hat sie aufgedreht, während ich im Badezimmer war. Ich hab sie jetzt wieder leiser gestellt.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Ich hab gesagt, es tut mir leid!«, blaffte sie und legte auf. Zitternd konzentrierte sie sich dann wieder auf uns. »Raus, hab ich gesagt!«, wiederholte sie mit fester Stimme, aber sie wirkte verängstigt und ich fragte mich, warum sie ihrem Nachbarn nichts von uns gesagt hatte.
»Tammy, hör mir einfach mal kurz zu«, ergriff ich das Wort und beschloss, dass die offene Tür ihr vielleicht doch ein Gefühl der Sicherheit gab. »Wir wollen dir nichts tun. Aber du steckst in Schwierigkeiten.«
»In Schwierigkeiten?« Tammy zeigte mit dem Telefon auf uns. »Ich bin ja wohl nicht diejenige, die hier Hausfriedensbruch begeht! Und jetzt haut endlich ab oder ich rufe die Polizei!«
Aber das hätte sie längst tun können, darum glaubte ich nicht, dass sie es wirklich vorhatte. Die Musik aus ihrem Zimmer wechselte nun zu einem düstereren, unheimlicheren Song.
Barnabas hörte auf, den Hund zu streicheln, und richtete sich auf. Er wirkte lässig und entspannt, wie der Leadsänger einer Boygroup. »Die Polizei würde vierzig Minuten brauchen, um hierherzukommen«, sagte er und seine Stimme klang beruhigend. »Wenn du uns zuhörst, sind wir in drei Minuten wieder weg.«
Tammy schluckte und Nakita verdrehte die Augen, als sie sah, was für eine Wirkung Barnabas auf sie hatte. »Wer bist du denn?«, wollte sie von Barnabas wissen. »Du warst nicht mit im Bus.«
»Barnabas.« Er lächelte und ich hätte fast aufgestöhnt, als er seinen Charme spielen ließ. Verdammt, der war ja besser als Nakita und ich zusammen und trotzdem hatte er solche Zweifel, dass wir irgendwas würden ändern können.
Nakita wagte einen Versuch. »Wir wollen dir nur helfen. Deine Seele ist jetzt in Sicherheit, aber dein Leben nicht.«
In Tammys Gesicht machte sich im Nu wieder Argwohn breit.
»Nakita!«, zischte ich. »Hör doch endlich mal mit diesem Seelenkram auf! Bald hält uns jeder für verrückt, wenn du die ganze Zeit redest, als wären Seelen so was Alltägliches wie Kaffeemaschinen.«
Sie blickte mich unschuldig an. »Aber das sind sie doch auch.«
»Das heißt nicht, dass man auch so über sie reden kann«, erwiderte ich verzweifelt.
Tammy sah zwischen uns beiden und der Tür hin und her, das Telefon noch immer in der Hand. »Hat meine Mom euch etwa geschickt? Ist das irgendeine neue kranke Masche, mich zu überwachen?«, wollte sie wissen. »Mann, das ist ja echt der reinste Polizeistaat. Ihr könnt ihr ausrichten, dass sie sich gefälligst nicht in mein Leben einmischen soll! Ich bin schließlich kein Baby mehr!«
Ihre Mom? Schön wär's. »Deine Mom hat keine Ahnung, dass wir hier sind«, sagte ich in der Hoffnung, es würde vielleicht helfen.
Barnabas warf ein Hundespielzeug durchs Zimmer und der kleine Kläffer flitzte hinterher. »Ist das Soap Scum?«, fragte er und ich blickte ihn verständnislos an, bis mir klar wurde, dass er die Musik meinte.
»Ja«, sagte Tammy und ihre Stimme klang sofort viel weniger aggressiv. »Die kennst du?«
Er lächelte. »Ich war bei einem Konzert von ihnen in Chicago, kurz bevor der Schlagzeuger an einem Herzinfarkt gestorben ist.«
Nakita schnaubte. »Ach, wurde er vielleicht gesenst und du hast mal wieder die Protektion vermasselt?«
Barnabas runzelte die Stirn und nahm dem Hund das Spielzeug aus dem Maul, als der ihm bis zum Knie hochsprang. »Nein. Ich war wegen eines Jungen im Publikum da.«
»Gesenst? Protektion?«, flüsterte Tammy. Sie sah auf das Telefon in ihrer Hand und machte einen Schritt rückwärts. »Für was haltet ihr euch eigentlich? Gevatter Tod und seine Freunde?«
»Nein«, sagte Nakita, bevor ich sie daran hindern konnte. »Nein, wir sind schwarze Engel.« Sie zögerte und fügte dann hinzu. »Das heißt, Madison, wenn wir versuchen, Menschenleben zu retten, sind wir dann nicht streng genommen weiße?«
»Nein«, erwiderte ich und beobachtete besorgt Tammys Miene. Das drohte ja mal wieder total in die Hose zu gehen. Hier pfuschten mir einfach zu viele Leute ins Handwerk, ich kam überhaupt nicht zum Zug. »Tammy, nur zwei Minuten«, beschwor ich sie. »Hör einfach zwei Minuten zu und dann gehen wir wieder. Ich weiß, das alles kommt dir ziemlich seltsam vor, aber wir wollen dir wirklich nur helfen. Wenn du mir nicht zuhörst, wirst du heute Nacht sterben. Und Johnny auch.«
Ihr Gesicht wurde kreideweiß
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