Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
Vom Netzwerk:
Leben erwachte und mit ihr davon tuckerte.
    »Ist das wahr?«, fragte ich in die neue Stille hinein. Barnabas sagte nichts. Er presste die Kiefer aufeinander und seine Augen wirkten in der Dunkelheit schwarz. Plötzlich verlegen ließ ich die Engelsflügel wieder in die vertraute Form des glatten Steins zurückschmelzen. »Tut mir leid«, flüsterte ich. »Ich halte jetzt auch den Mund.«
    Verdammt, was dachte ich mir eigentlich dabei, so in seiner Vergangenheit rumzustochern? Er sah vielleicht aus, als wäre er in meinem Alter, aber in Wirklichkeit war er über dreitausend Jahre alt und nicht siebzehn. Als ob er da ausgerechnet mir sein Herz ausschütten würde.
    »Damals gab es noch keine Zeitwächter«, sagte er auf einmal und ich fuhr zusammen, obwohl seine Stimme sehr leise gewesen war, beinahe unhörbar über dem Dröhnen des Verkehrs auf der Straße. »Die Seraphim verteilten die Vollstreckungsaufträge, so wie sie es jetzt auch tun, bis die Sache mit dir geregelt ist. Ich sollte das Leben eines Mädchens beenden, dessen Seele sterben würde. Ihr Stolz sollte sie davon abhalten, um Vergebung zu bitten.«
    Barnabas verlagerte sein Gewicht, die Hände locker um die angezogenen Knie geschlungen, doch seine Augen sahen nicht die Rückseite der Mülltonne. Die Leere in seinem Gesicht machte mir beinahe Angst.
    »Die Erde war damals noch so jung«, sagte er dann und die Furchen auf seiner Stirn glätteten sich wieder. »Nicht wie dieser zubetonierte, kohlendioxidverseuchte Schatten ihrer selbst, zu dem sie geworden ist. Damals konnte man fast noch die Schöpfungsenergie im Gestein widerhallen hören, im Summen der Bienen oder im Atem eines Mädchens, das fast schon eine Frau war - eine Frau, die so perfekt war, dass der Himmel gewillt war, ihrem Leben ein Ende zu setzen, um ihre Seele unbefleckt zurückzubekommen.«
    Ich unterdrückte einen Schauder, bang vor dem, was er als Nächstes erzählen würde.
    »Sie lag schlafend in einem Feld. Meine Sarah«, flüsterte er und seine Schultern entspannten sich, als er mit einem sonderbaren Akzent ihren Namen aussprach. »Ihr Name war Sarah und ich habe in der gesamten Schöpfung nie etwas Schöneres zu Gesicht bekommen.« Sein Kopf sank nach unten. »Sie hätten jemand Stärkeres schicken sollen.«
    Ich wollte seinen Arm berühren, aber ich tat es nicht. Wie könnte ich mir auch nur anmaßen, es zu verstehen? Er würde mich auslachen.
    »Ich konnte es nicht«, sagte er dann mit hängendem Kopf. »Ich … wollte es nicht. Es war mein Wille.« Erst jetzt wandte er mir das Gesicht zu und ich erschrak über die Wildheit in seinem Blick. »Ihre Seele war noch am Leben und so schön. Es erschien mir falsch, sie ihr zu nehmen. Sie wachte auf und ich stand über ihr, die Sense in der Hand. Sie hatte solche Angst. Ich wollte nicht, dass ihre perfekte Schönheit von einer so hässlichen Tat überschattet wurde, wenn sie die Erde verließ, also log ich. Ich sagte ihr, sie sei in Sicherheit, und ich berührte sie und fühlte, wie sie zitterte. Sie glaubte mir. Ich hätte sie nicht berühren dürfen. Vielleicht wäre ich fähig gewesen, es zu vollenden, wenn ich nicht ihre Angst gespürt hätte.«
    Er lächelte jetzt, als schwelge er in einer schönen Erinnerung. »Dass sie mir vertraute, als ich ihr sagte, ich würde ihr nichts tun, berührte mich tief in meinem Inneren. Ich konnte ihr Vertrauen nicht verraten und so wurde meine Lüge zur Wahrheit.« Barnabas’ Augen wurden schmal und seine verschlungenen Hände lösten sich voneinander und pressten sich auf den Beton. »Ein zweiter Todesengel kam, um zu Ende zu bringen, was ich begonnen hatte. Ich kämpfte mit ihm, siegte und schickte ihn zurück in den Himmel, wo er wieder genesen würde.«
    Sein Gesicht wurde traurig, als er auf das schmutzige Straßenpflaster starrte und seine Vergangenheit vor seinem inneren Auge wieder auflebte. »Ihr Schicksal änderte sich von einem Tag auf den anderen, weil ich ihr Leben verschont hatte.« Er blickte mich an, als erwartete er, dass ich ihm widersprach, aber ich brachte keinen Ton heraus. »Dadurch, dass ich ihr das Leben rettete, erkannte sie ihren eigenen Wert und ihre Seele wandelte sich von selbst. Im Glauben an meine eigene Unschuld brach ich auf, um die Seraphim davon zu überzeugen, dass das Schicksal beeinflusst werden konnte und sie die Vollstreckungen beenden sollten. Aber sie hörten nicht auf mich und sandten einen dritten Todesengel aus, obwohl ich sie anflehte, es nicht zu tun.

Weitere Kostenlose Bücher