Boese Maedchen sterben nicht
riesigen sonnendurchfluteten Raum wiederfand. Ich setzte mich auf, sah an mir hinunter auf mein zerrissenes Abschlussballkleid und konnte es kaum glauben, als ich den schmutzigen Stoff zwischen zwei blutverkrusteten Fingern spürte. Das war ja ziemlich schnell gegangen. Ich hatte meinen Körper zurück.
Plötzlich wurde mir schwindelig. Keuchend schnappte ich nach Luft und vergaß fast, sie wieder auszuatmen. Ein Lachen stieg in meiner Kehle auf und vermischte sich mit dem Geschrei von Möwen. Ich musste atmen. Ich musste atmen!
Meine Hand wanderte zu meinem Hals und umfasste mein Amulett. Ich sprang auf und hob die Zehen von dem kalten Marmorfußboden. Die Welt schien sich wie in Zeitlupe zu bewegen und mir tat alles weh. Ich sah auf meine Füße hinunter und da hing kein Schildchen mehr an meinem Zeh. Dann aber fiel mir ein, dass ich es ja abgerissen hatte.
In meinem Kopf machte sich ein pochender Schmerz bemerkbar und ich ertastete vorsichtig eine große Beule auf meiner Stirn. Meine Schultern und meine Brust schmerzten. Ich lugte unter mein fleckiges, dreckverkrustetes Kleid und sah einen länglichen Bluterguss an der Stelle, wo der Sicherheitsgurt gewesen war. Ich war wirklich in meinem Körper. Er gehörte wieder mir!
»Ich hab’s geschafft!«, rief ich und hörte das Echo meiner Stimme, während die Möwen draußen mich auszulachen schienen. Hustend kauerte ich mich auf das Samtsofa und presste mir die Arme in die Rippen, damit es nicht so wehtat.
»Ich hab’s geschafft«, flüsterte ich und der Schmerz war mir egal. Ich hatte es geschafft und fragte mich, ob meine Resonanz sich geändert hatte, jetzt, da ich meinen Körper zurückhatte. Schwarzflügel, fiel mir ein, waren jetzt kein Problem mehr. Doch mein triumphierendes Lächeln erstarb. Ganz vorsichtig kam ich wieder hoch, und als ich ganz sicher war, dass ich es konnte, stand ich auf und humpelte auf die nahe Tür zu. Voller Panik blickte ich mich nach der einen Sache um, die ich sechs Monate lang nicht gebraucht hatte. Ich hatte es geschafft! Die Beweise sind erdrückend, heißt es doch so schön - und im Moment drückten sie mir ziemlich auf die Blase. Ich musste verdammt noch mal aufs Klo und ich hatte keine Ahnung, wo eins war.
8
Als ich aus dem Badezimmer kam, fuhr ich mit der Hand über die glatten Marmorwände, sodass ich die seidige Oberfläche unter den Fingern spürte. Ich hatte schreckliche drei Minuten gebraucht, um die Toilette zu finden. Das riesige Badezimmer lag ganz am Ende einer ganzen Flucht von Räumen, die vermutlich als Kairos’ Privatwohnung gedient hatten. Kairos, der Typ, der mich umgebracht hatte. Eins musste ich ihm lassen: Er hatte wirklich Geschmack. Alles, woran ich während meiner verzweifelten Suche nach dem Badezimmer vorbeigekommen war, hatte ausnehmend elegant ausgesehen. Kühle, klare Linien. Ein Bandposter oder ein CD- Regal hätten hier absolut fehl am Platz gewirkt, sodass ich mich fragte, wie viel Zeit er eigentlich hier verbracht hatte.
Ich warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die riesige Badewanne und tappte dann barfuß zurück in das Schlafzimmer mit dem riesigen Bett voller fluffiger Kissen und weicher Decken, die noch genauso zerwühlt dalagen, wie Kairos sie an seinem letzten Tag hier zurückgelassen hatte. Das war schon ein bisschen gruselig, wenn man mal drüber nachdachte. Mein Körper war die ganze Zeit hier gewesen, nur ein winziges Stückchen außerhalb der Reichweite der restlichen Welt. Darum hatte ihn nie jemand gefunden und er war vor zeitbedingten Verfallsprozessen geschützt gewesen. Auf eine ähnliche Weise bewahrte Barnabas auch seine Flügel auf, unsichtbar und ohne dass das Universum darauf Zugriff hatte.
Die Sonne schien durch die großen Fenster, die den Blick auf den ruhigen Ozean freigaben, und ich seufzte vor Glückseligkeit auf. Jetzt ein Bad zu nehmen wäre wahrscheinlich nicht das Allervernünftigste, obwohl ich mich danach ganz sicher tausendmal besser fühlen würde. Immerhin hatte ich mich schon umgezogen. Ich konnte ja schlecht den Rest der Nacht in meinem alten Abschlussballkleid rumlaufen, wenn ich Tammy retten wollte. Wie man sich fast hätte denken können, hatte Kairos’ Schrank weder Röcke noch Kleider zu bieten gehabt. Nach einer Weile aber hatte ich eine schwarze Hose gefunden, die beinahe passte, wenn ich die Beine hochkrempelte, und eine wallende Tunika, die bestimmt ganz stylish wäre - wenn man ein Druide aus World of Warcraft war.
Ich zog die
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