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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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schlabberige Hose ein Stück höher und machte einen kleinen Knoten in den Bund, damit sie nicht wieder runterrutschte, während ich den Flur entlangging. Am Oberteil konnte ich nicht viel festzurren, ich würde also einfach vorsichtig sein müssen und mich nicht zu weit nach vorne beugen dürfen. Mein altes Kleid hatte ich zusammengeknüllt unter dem Waschbecken im Badezimmer liegen lassen. Ich hoffte, dass ich es nie mehr Wiedersehen würde. Es hatte zwar die ganze Zeit über, die ich nicht in meinem Körper gewesen war, wie eingefroren in der Zeit festgesteckt, aber irgendwie kam es mir trotzdem so vor, als hätte ich es seit meinem Tod ununterbrochen getragen. Kein Wunder, dass mir die Brust wehtat, wenn ich die ganze Zeit in dieses Korsett gepfercht gewesen war. Die Schmerzen in meiner Schulter kamen von dem Autounfall und ich bewegte probeweise den Arm. Dann lächelte ich. Ja, es tat weh, aber das lag daran, dass ich lebendig war. Ich konnte es kaum erwarten, Josh davon zu erzählen.
    Der Flur mündete in eine Art riesiges Wohnzimmer mit wunderschönen Sitzkissen und niedrigen Tischen. Von dort aus gelangte man wiederum in einen weiten gekachelten Innenhof, der von hohen Torbögen mit wallenden Vorhängen umgeben war. Ich wusste, dass seit Kairos’ Tod niemand mehr hier gewesen war, und trotzdem wirkte alles blitzsauber. Vielleicht war das einer der Vorteile, wenn man auf geweihtem Grund und Boden lebte?
    Die Hand wie zur Beruhigung immer noch um mein Amulett geklammert, trat ich nach draußen. Ich war froh, dass ich es noch hatte und es nicht in der Küche geblieben war, als ich mich dort in Luft aufgelöst hatte - denn das musste ich wohl. Barnabas hatte gesagt, ich hätte wie ein Geist ausgesehen, als er mich beim ersten Mal in die Wirklichkeit zurückgerissen hatte. Und da mein Amulett mir die Illusion eines Körpers verschafft hatte und es jetzt hier bei mir war …
    Armer Josh , dachte ich, und während ich in die grelle Sonne blinzelte, wünschte ich, ich könnte auch mit ihm über meine Gedanken kommunizieren. Er musste sich schreckliche Sorgen machen, nachdem ich einfach so verschwunden war. Sobald ich wieder klar denken konnte, würde ich Barnabas oder Nakita rufen, damit sie mich hier abholten. Zumindest Nakita wusste ganz sicher, wo Kairos’ Insel lag, denn schließlich hatte sie ihn selbst hier getötet.
    Mein Blick fiel auf den zerstörten Tisch, an dem sie ihn gesenst hatte. Außer der geborstenen Tischplatte gab es keinerlei Anzeichen für das, was sich dort abgespielt hatte. Ich hatte das Amt der schwarzen Zeitwächterin angetreten, bevor das Blut meines Vorgängers auch nur kalt gewesen war, und ich erschauderte bei dem Gedanken. Der harte Stein war entzweigebrochen, als der Seraph mich ausgelacht hatte, weil ich nicht an das Schicksal glaubte. Oder hatte er vielleicht gelacht, weil er mich in der Zukunft gesehen hatte, hier und jetzt, und dass ich sowohl meinen Körper als auch mein Amulett behalten wollen würde? Hoffentlich nahmen sie es mir wirklich nicht weg.
    Besorgt schlang ich meine Arme um mich selbst und drehte mich vom Tisch weg, als ich an die schmerzhafte Schönheit des Seraphen dachte. Sie mussten mich das Amulett einfach behalten lassen. Ich meine, ich hatte den Seraphen schließlich gefragt, ob ich es eine Weile ausprobieren und danach zurückgeben könne. Und der Engel hatte mich merkwürdig angelächelt und gesagt, ja, wenn das mein Wille sei. Als gäbe es da überhaupt irgendwas zu wollen, wo die Seraphim doch so überzeugt davon waren, dass alles vom Schicksal bestimmt wurde. Damit hatte er doch so gut wie zugegeben, dass der freie Wille existierte. Tja, dann würde ich mein Leben eben in die Hand nehmen und frei darüber entscheiden. Ron war schließlich lebendig und hatte trotzdem ein Amulett. Der Seraph hatte gesagt, ich könne selbst entscheiden, ob ich mein Amulett aufgeben wolle, wenn ich meinen Körper gefunden hätte. Es deutete also alles daraufhin, dass ich es behalten durfte. Oder?
    Entschlossenheit breitete sich in mir aus und vom Meer her wehte eine kühle Brise den steilen Abhang herauf und hob meine Haarspitzen an. Die weißen Laken in den Torbögen ließen Kairos’ Innenhof wie die Kulisse zu einem Parfümwerbespot wirken. Es herrschte gerade Ebbe und ich schloss die Augen und wandte mich der Sonne entgegen, die Arme ausgebreitet, als könnte ich diesen Augenblick, in dem mich die Wärme der Sonne durchflutete, für immer in mir speichern. Mein Herz

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