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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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schlafen, und nicht nur, weil du keine Anstalten machtest, dies mit mir zu tun. Kaum lagst du auf deiner Matratze, da warst du auch schon nicht mehr ansprechbar. Einige Zeit bemühte ich mich, dir durch die ausnahmsweise ganz geschlossenen, nur ein wenig flatternden Lider in die Augen zu schauen, dich so womöglich zurückzuholen aus dem Traum, der dir die Stirn furchte. Doch dann verließ ich die Matratzenkante, suchte – jedes Geräusch vermeidend – mein Telefonheft, einen Block Papier und einen Bleistift. Um besser nachdenken zu können, stellte ich noch eine Flasche Wein und ein Glas zu dem Aschenbecher auf dem Küchentisch.
    Wen wollte ich zu uns ins Boot bitten? Ich kannte hiernoch nicht viele Menschen. Und warum sollten unter denen welche sein, die begriffen, daß ich sie brauchte, weil ich dich brauchte, einen Junkie, wenngleich der offenbar sauber war, jedenfalls die heutige Urinprobe bestanden hatte? Die Sache würde Zeit kosten, das Pünktlichkeitsgebot abschreckend wirken auf diese freiheitsliebenden Geister, Tagediebe wie wir.
    Ich ging mein Telefonheft durch, übertrug etwa fünfzehn Namen und Nummern auf das obere Blatt des Schreibblocks und sagte mir, daß acht davon genügen würden. Aber was, wenn jene, die ich zu überreden hoffte, dann nicht durchhielten, wenn sie, vielleicht weil ihnen auf einmal in den Sinn kam, daß sie verreisen müßten, das Handtuch warfen, lange bevor die zwei Monate verstrichen waren? Mir fiel ein, daß ich Joe danach fragen könnte – oder lieber doch nicht? –, und glücklicherweise auch wieder das Geld, von dem er gesprochen hatte. Schließlich war keiner der rund zwanzig in Frage kommenden, also diesseits der Mauer lebenden Erwachsenen, deren Koordinaten ich immerhin besaß, so wohlhabend, daß er ein bißchen zusätzliche Kohle nicht gerne mitnehmen würde. Und zwei von den acht, die wir laut Joe mindestens sein sollten, hatte ich ja schon beisammen: mich und sehr wahrscheinlich Christoph. – Christoph, der sich, wie ich nur zu gut wußte, nicht für jede Frau, ansonsten aber leicht begeistern ließ, würde sich freuen, daß er aus dem Rennen war, weil ich nun dich gefunden hatte, und mir den kleinen Freundschaftsdienst nicht verweigern. Und notfalls konnte ich ja versuchen, ihn zu erpressen, indem ich ihm die Partnerschaft am Blumenstand aufkündigte, was meine, also unsere, Probleme jedoch nurverschärfen und vergrößern würde. Denn wenn du nicht völlig klamm gewesen wärst, hättest du dir nicht bereits am Morgen unseres zweiten gemeinsamen Tages wortlos einen Zehner geliehen, und ich hätte vorhin weder deinen Baileys noch mein Bier allein aus meiner Tasche bezahlt. Darüber, wie es wirtschaftlich weitergehen soll, werde ich mit dir reden müssen, gleich nachher, wenn du wieder wach bist, so behutsam wie möglich, so deutlich wie nötig, dachte, dachte, dachte ich und starrte, fast blind vor Müdigkeit, in mein schon wieder leeres Glas.
    Es dämmerte, als ich den Kopf vom Küchentisch hob, die drei ausgetrunkenen Weinflaschen in die Mülltüte steckte, mir das Gesicht wusch, die Butter aus dem Kühlschrank und das Brot aus der Tüte holte. Ich kippte ein Glas Leitungswasser, kochte Kaffee, den ich in eine Thermoskanne umfüllte, schmierte mir eine Stulle, die ich mit zwei Bissen verschlang, zog mich an, verstaute meine geschrumpften Finanzen im BH und schaute noch einmal zu dir hinein.
    Die Morgensonne fiel schräg durch die schmutzigen Fensterscheiben auf deine feucht glänzende Stirn. Ich hob die Bettdecke an, unter der du, wie ich gerührt bemerkte, wieder meinen Bademantel trugst, strich dir übers Haar, die Augenbrauen, die Lippen; du spürtest nichts. Ich wußte, wenn ich mich jetzt hinlegte, würde ich bis mittags schlafen, doch ich mußte ja in wenigen Stunden die Kandidaten für unsere Gruppe anrufen. Was, außer ein bißchen draußen herumlaufen, hätte ich bis dahin tun sollen?
    Ich war schon beinahe unten, als eine diffuse Vorsicht,die ich nicht Argwohn nennen möchte, mich veranlaßte, wieder umzukehren und die beiden Hundertmarkscheine, die ich für Notfälle hinter der Duschkabine deponiert hatte, auch noch mitzunehmen.
    Zu so früher Stunde war ich lange nicht mehr auf den Moabiter Straßen unterwegs gewesen, und die wiederum waren leer, wie ich sie selten, richtiger noch nie gesehen hatte. Kaum ein Auto störte die ungewohnte Stille; nur die Mauersegler schrien hoch oben am wolkenlosen Himmel und jagten Insekten oder einander. Ein Mann

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