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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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gekommen, sie »anzubaggern« oder eine der Fotografien,um die du sie eigens gebeten hättest, als »Wichsvorlage zu mißbrauchen«.
    Münster, sagte ich trocken, ist das nicht ein bißchen weit weg? Ich hatte Mühe, dir zu verbergen, daß ich eifersüchtig war – und neidisch, vor allem das. An sich neige ich nicht zur Eifersucht, seit ich älter bin, schon gar nicht mehr. Aber wenn mich dies unwürdige, nichts als ein mieses Bedürfnis nach Besitz verratende Gefühl dereinst doch mal packte, bestand es überwiegend aus Neid – auf die Reize jenes anderen, schöneren Menschen. Im Falle dieser Unschuld vom Lande, die auch noch Maria hieß, gab mir deine scheinheilige Schwärmerei für deren angeblich so kostbare Reinheit den bösesten Stich. Gestern hattest du dich von mir nur vögeln, dir aber keinen blasen lassen wollen, und heute?! Während ich dabei war, deine Haut zu retten, gestandest du mir ohne Rücksicht auf Verluste deine Liebe zu einer womöglich noch minderjährigen, fadendünnen, semmelblonden Pferdenärrin, die sich nicht einmal Fertigzigaretten leistete, sondern ihre – übrigens so gar nicht zu einer Maria passende – Rauchlust mit Tütenknaster befriedigte, wahrscheinlich, weil ihr knapp bemessenes Taschengeld sonst nicht reichen würde, für Hafer, Striegelfett, falsche Perlen und gelbes Blümchenbriefpapier.
    Nein, Harry, ich fragte nichts mehr, auch nicht nach Marias Nummer und Adresse. Und daß ich die nicht kennenlernen, also nicht bei der Gruppe haben, sondern für immer in der Kirche ihres zum Glück mindestens acht Zugstunden von uns entfernten Dorfes oder auf ihrem Scheißgaul durch die dunkelsten Wälder irren lassen wollte, das wenigstens konntest du wohl begreifen; dennohne ein weiteres Wort zu verlieren, stecktest du die beiden Bildchen zurück in deine Arschtasche – und nie wieder kamen sie zum Vorschein.
    Eine Weile standest du noch bei mir am Tisch, ließest schweigend mein beleidigtes Schweigen über dich ergehen, dann knurrtest du »bin müde« und zogst, samt Bettzeug und Matratze, in die Küche. Es sah nicht so aus, als wünschtest du, daß ich dir folge.
    Meine ob der Maria-Episode gesunkene Stimmung bewirkte wohl, daß ich die nächsten Telefonate in einer nicht allzu flehentlich klingenden Tonlage führte und dies wiederum, daß ich – drei Stunden und siebzehn Anrufe später – nicht nur die nötigen acht Männer und Frauen beisammen, sondern sogar noch einen Reservisten gewonnen hatte.
    Stolz eilte ich zu dir in die Küche, baute mich mit verschränken Armen vor deiner ruhenden, möglicherweise auch wirklich schon wieder schlafenden Gestalt auf und sagte sehr laut: Hey, Harry, die Sache ist geritzt. Ich hab uns neun Schutzengel eingefangen. – Weil es von Anfang an so war, frage ich mich, ob du es überhaupt hättest bemerken können, doch jedesmal, wenn ich mich zu dir sprechen hörte, wurde ich mir ein wenig fremd, denn die Worte, die ich gebrauchte und von denen ich annahm, daß sie deinen Geschmack trafen, waren immer andere als jene, die ich kurz vorher gedacht hatte. Ich übte eine Rolle, die mir gefiel, aber nicht lag; ob du das durchschautest, mein falsches Spiel trotzdem mochtest, das, Harry, wüßte ich gern – und nicht nur aus Eitelkeit.

[Menü]
VIII
    »Da habe ich mir vielleicht ein paar putzige Pappnasen angelacht. Am komischsten ist Clara, eine nach Nuttenparfüm stinkende, Liebeslyrik schreibende, ultralinke Qualle, die früher mal beim Ballett gewesen sein will. Die hat garantiert was übrig für so knackige Knackis wie mich. Ich werde sie Clärchen nennen und mir um den kleinen Finger wickeln. Auch Marlene, das reife Schwarzwaldmädel, dürfte kaum Streß machen. Sieht aus wie ein Schluck Essig mit Pudelfrisur, singt aber in einer Band und schwärmt für die Doors. Sagt, sie hätte alle Platten. Da kommen doch schöne Stunden auf mich zu! Dann gibt es noch Julia, eine womöglich schon vor der Pubertät vertrocknete, in jeder Hinsicht brettflache Tante, die aus grünen Stofftieraugen traurig in die Runde glotzte und meinte, es sei ihr lieber, wenn wir Juli zu ihr sagen, denn sie hätte sich gerade von einem Romeo getrennt. Juli bedient nachts das Bereitschaftstelefon der Bestattungsfirma Grieneisen, obwohl sie gelernte Goldschmiedin ist. Die letzten drei Jahre hat sie den Sommer über auf Formentera selbstgebastelten Modeschmuck verkauft. Aber das läßt sie dieses Jahr ausfallen, zum einen meinetwegen und dann, weil sie die sauer verdienten Flöhe

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