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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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vorhast und keine Zeit zum Jobben. Ich gebe dir auch gerne ein Drittel ab von der Kohle, die eigentlich deine wäre und mir nur zufällt, weil du manchmal verhindert bist. Vielleicht kann ich Franz sogar dazu überreden, daß er was drauflegt; schließlich verhökere ich sein Kraut ganz gut, und außerdem beginnt jetzt die Hochsaison. Und für Harry, daß du es nur weißt, gibt es auch Knete; die kriegst du – und meine gleich mit, unabhängig davon, ob du selbst dich um Harry bemühst oder ich deine Schichten übernehme.
    »Na ja«, sagte Christoph, »da ihr beide, also du und dieser Harry, ohnehin unzertrennlich zu sein scheint, tu ich dir wohl nur einen Gefallen, wenn ich deinem süßen kleinen Giftpilz nicht allzu oft das Fläschchen gebe. Aber anschauen werde ich mir den schon mal genauer.«
    Ich war wütend auf mich, weil ich mich weit aus dem Fenster gelehnt und Christoph nicht ansatzweise erpreßt, sondern statt dessen großzügig und grundlos bestochen hatte, konnte jedoch wenigstens hoffen, daß er nun nicht mehr nein sagen würde. Und tatsächlich meinte Christoph, da es mir so viel bedeute, lasse er sich »ausnahmsweise hinreißen zu diesem sicher sinnlosen altruistischen Experiment«; auch »die Idee mit der Eindrittelbeteiligung« an meinen Standeinahmen fand er »durchaus akzeptabel«.
    »Habe die Straßenseite gewechselt, auf Nichterkennen gemacht und doch genau gesehen, daß T. mich gesehen hat. Der wird das Maul nicht halten. Nur: Wo wollen die mich suchen? Der einzige, der es weiß, ist mein alter Kumpel B. Trotzdem muß ich den noch irgendwie brie fen, dazu aber erst mal finden. Und seit vorgestern ist er wie vom Erdboden verschluckt.«
    Christophs mit Absicht schmalzig genäselte Grußfloskel »Tschau, Bella« dröhnte mir noch im Ohr, und ich überlegte, wie ich weiter vorgehen sollte, alphabetisch oder nach Intuition, als du lautlos hinter mich tratest, meinen Nacken berührtest. Ich erschrak, weil mir in dem Moment nicht einfiel, daß ich dir meinen Zweitschlüssel neben die Matratze gelegt hatte. Du warfst mir eine verschnörkelte grüne Plastikhaarspange hin, nahmst sie wieder zur Hand, ergriffst mit der anderen eine meiner Ponylocken, stecktest sie fest, geschickt wie ein Friseur, küßtest mich aufs Haupt und meintest, das sehe wirklich schön aus.
    Du warst lange weg, sagte ich.
    »Mußte ja auch die ganze Kiste durchwühlen, um das Teil zu finden«, sagtest du, so friedfertig, als hättest du das Vorwurfsvolle in meiner Stimme gar nicht bemerkt. Deine Finger streichelten die Spange und meinen Kopf, der leerer und schwerer werdend gegen deinen Bauch sank. Ich wollte nicht mehr daran denken, daß ich noch diese Menschen anzurufen hatte, sondern dein Hemd öffnen, dir meine Zunge in den Nabel und dich zu Boden drücken, aber ein unauflöslicher Rest von Verantwortungsgefühl war dann doch stärker und neutralisierte dasgeile Gemisch aus Ignoranz, Arroganz und Sehnsucht, das sich meiner oder sogar unserer bemächtigen wollte.
    Kennst du eigentlich auch jemanden, der mitmachen könnte, fragte ich.
    Dein Blick, der meinen nicht erwiderte, wurde weich und ungenau, als müßtest du gleich weinen. Im dazu passenden Tonfall sagtest du »vielleicht«, zogst ein braunes Lederimitatetui aus der Gesäßtasche deiner Jeans und entnahmst ihm zwei etwas verblichene Farbfotografien; auf der einen waren ein schwarzes Pferd und dessen sehr schöne junge Reiterin zu sehen, auf der anderen dasselbe Mädchen allein in einer Sofaecke sitzend. An die Halbkugeln seiner hohen, von keinem BH beengten Brüste, zwischen denen eine lange Perlenkette baumelte, schmiegte sich ein ärmelloses hellblaues T-Shirt. Das in der Mitte gescheitelte, üppig-glatte Blondhaar reichte ihm bis zu den Schultern; konzentriert, mit leicht geöffnetem, ungeschminkt rotem Mund und gesenktem Blick unter dichten Wimpern drehte es sich, erkennbar elegant, eine Zigarette.
    »Das ist Maria«, sagtest du, »die ist sauber wie ein Wassertropfen, hat nur irgendwann nicht mehr zurückgeschrieben.« Und weiter erzähltest du von dieser Maria, der »Tochter echter Christen«, die in einem »Dorf bei Münster lebt« und ein »Herz für Langstrafler hat«, was für ein sanftes Wesen die sei und wie ergreifend schlicht gerade ihr letzter Brief auf gelbem Papier. Dreimal habe sie dich auch im Knast besucht, dir Bibelstellen vorgelesen, deine Hand gehalten, dich angesehen aus ihren »riesigen blauen Kulleraugen«, doch nie wärst du auf die Idee

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