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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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was genau damit gemeint war.
    Der schwere Raub, erklärtest du zwei Stunden später, sei ein »Apothekenbruch« gewesen, und einer der Polizisten, die euch »gestört« hätten, sei in jener Nacht »blöderweise« angeschossen worden, aber nicht von dir. Du hättest auch bei diesem »leider mißglückten Versuch, Opiate zu erbeuten, bloß Schmiere gestanden, wie immer«. Die Strafe sei »unverschämt hoch ausgefallen«, weil du als »Wiederholungstäter« gegolten und noch »Bewährung offen« gehabt hättest. »Doch jetzt«, du nahmst einen tiefen Zug aus deiner Zigarette, »sollten wir diese ranzigen Geschichten mal lassen und uns darum kümmern, wie es weitergeht.« Es gebe da etwas, in Schöneberg, Eisenacher Straße, einen »strengen Verein«, der heiße Triade, »genau wie die chinesische Mafia«, fügtest du grinsend hinzu. Du hättest mit dem »Obermops von dem Schuppen« schon kurz gesprochen, ihm deine Situation erklärt, und er habe gefunden, daß »die Angelegenheit nicht ganz aussichtslos« sei. »Wir sollen heute noch kommen, du und ich. Bitte, Mausepuppe, mein Schicksal liegt in deinen Händen«, sagtest du und warst schlau genug, mich wieder an deine Brust zu ziehen und mir einen ebenso pathetischen wie scheuen Kuß auf die Stirn zu hauchen.
    Da band ich mir, ohne noch ein Wort zu fragen oder zu sagen, die Haare zum seriösen Pferdeschwanz, schlüpfte in die Helmut-Kohl-Strickjacke, steckte meinen Ausweis ein, ging mit dir zur U-Bahn.
    Das Haus, dessen geschnitzte, zweiflüglige, von echten oder falschen Marmorsäulen flankierte Holztür du mir aufhieltest, war einer jener wilhelminischen Kästen, die korrekt Gebäude heißen und die unsere Sorte Mensch normalerweise weder grund- noch furchtlos betritt. Drinnen roch es ein wenig nach Desinfektionsmitteln und Papier, also Krankenhaus und Behörde. Die breiten, langen Flure waren – passend zum einen wie zum anderen – weiß gestrichen; es gab eine Orientierungstafel, Piktogramme, über, unter oder neben diversen Lämpchen, Schaltern, Klingeln befestigte Schildchen mit Namen und Zahlen.
    Am Ende des Ostflurs im Erdgeschoß klopftest du gegen die letzte Tür linker Hand, die einzige, die unbeschriftet war und keine Nummer hatte. Und obwohl es auch keine Klingel gab, ertönte ein Summen; ich vernahm harte, schnelle Schritte, sah auf unserer Seite der Tür die Klinke niedergehen und dann, zunächst undeutlich im hellen Licht der Neonröhren, einen eher kleinen, kompakten Mann von etwa dreißig Jahren.
    »Na, dann kommt mal rein«, sagte er und reichte weder dir noch mir die Hand. Als sich die Tür hinter uns schloß, erspähte ich aus dem Augenwinkel das Che-Guevara-Poster, mit dem sie von innen beklebt war. Auf dem Weg zu den vier Klappstühlen an der Stirnseite des einen der insgesamt drei Schreibtische redete der Mann weiter: »Ich bin Joe, nur Joe, wie Harry ja schon weiß. Und du?«
    Soja Edith Krüger, wohnhaft in Moabit, Birkenstraße elf, antwortete ich, eine eiernde Grammophonplatte imitierend. Der Kasernenhofton, in dem dieser Joe mich soeben geduzt hatte, gefiel mir nicht; das sollte er merken.
    »Krüger?« wiederholtest du und offenbartest bei der Gelegenheit, daß wir den gleichen Familiennamen trugen. – Ja, Harry, trugen, denn seit meiner späten, kurzen Ehe mit einem semischwulen Schweizer, den du nicht mehr kennengelernt hast, heiße ich Maiwald.
    »Soja sollte uns genügen«, meinte Joe. Dann erklärte er, daß wir beide, du und ich, bis zum Ende der Woche eine sogenannte Begleitgruppe auf die Beine zu stellen hätten. Für die erste Stufe der Triade würden mindestens acht, besser zehn oder zwölf, »cleane, also nicht von irgendwelchen harten Drogen abhängige, zuverlässige Menschen« gebraucht, die dich zwei Monate lang »umschichtig« bei sich übernachten lassen, »verpflegen, sinnvoll beschäftigen, zu den Therapiestunden bringen und wieder abholen« müßten, »aber absolut pünktlich«. »Die Zeit achten, mit der Uhr leben«, das sei das wichtigste, was ein Süchtiger zu lernen habe. »Schon eine Verspätung um wenige Minuten, egal ob von dir oder einem deiner Begleitgroupies verursacht, hat zur Folge, daß du bei uns rausfliegst, und welche Konsequenzen das wiederum hat, das, Harry, ist dir hoffentlich arschklar.« Die zweite Stufe befände sich auf der gleichen Ebene wie die erste und bestünde aus Einzelgesprächen, die den Zweck hätten, »multitoxische Erfahrungen aufzuarbeiten«, dein »Persönlichkeitsprofil« zu

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