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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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sowieso gleich wieder springen lassen müßte, für Hotelzimmer, Strandliege, Sangria. Einer heißt Frank, ist Maler und aus dem Osten, ein vollbärtiger, alter Zausel, der meinte, daß ich meine Zeit mit ihm ja als Modell absitzen könnte. Geht klar, habe ich gesagt, Porträt oder Akt? Seine Frau Hanna, die auch zu unserem Club gehört, hat Beine bis zum Hals, Pfoten wie ein Maurer, den Mund von Klaus Kinski und den gleichen Beruf wie der. Die wollte bloß wissen, ob ich spülen, putzen, bügeln kann. Werde ich alles einmal machen, und zwar so, daß sie mir solchen Scheiß nie mehr zumutet. Thomas, ein blonder Niederrheiner, und sein Kumpel Christoph, ein knubbliger Bayer in Lederjeans, halten sich für echte Draufgänger. Aber wovon sollten die draufgehen? Weiß der Geier, was die sich vorstellen. Kontakte? Tips, wie man wo drankommt? Bißchen Karate lernen bei Harry, dem Grizzly? Der Ersatzmann heißt Marc, ist Amerikaner, Bildhauer, die Ruhe selbst und der einzige von denen, der mir irgendwie imponiert.«
    Über mich, Harry, kein Sterbenswort, nicht einmal hier, in dieser vergleichsweise ausführlichen Passage deiner Aufzeichnungen – oder wie du das nennst. Warum bin ich abwesend, als wären wir einander nie begegnet? Mein einer, der freundlichere, Verdacht ist, daß du befürchtet hast, dein Heft könnte bei einer Hausdurchsuchung, einer neuerlichen Festnahme, einem überraschenden Besuch von alten Bekannten … in fremde, also falsche Hände geraten; und um diesem Fall vorzubeugen, jede auch nur vage in meine Richtung deutende, eventuelle Textinterpretation von vornherein auszuschließen, hieltest du es für notwendig, mich komplett zu unterschlagen. Meine andere, dir kein edles Motiv zubilligende und für mich selbstredend schmerzhaftere, aber mit der ersten durchaus kompatible Vermutung ist die, daß ich dir so gleichgültig war wie alles auf der großen weiten Welt, außer deinem Lebenselixier und der Angst davor, wieder im Knast zu landen.
    Anyway, wie du sagen würdest; darüber, was du wirklich von mir hieltest, ob und in welchem Maße du mich mochtest, kann ich mich um den Verstand spekulieren, denn ich war dir, entschuldige, wenn ich mich wiederhole, ja keine geschriebene Silbe wert – oder eben so viel, daß du dir jede nachlesbare verkniffen hast. Ohne mein Elefantengedächtnis, in dem unsere meist ziemlich einseitigen Gespräche bewahrt sind wie in einem Buch, müßte ich glauben, ich hätte nur geträumt, träumte noch immer – und nicht bloß die Worte, die wir wechselten, auch all das, was du mit mir, für und gegen mich getan oder eben unterlassen hast.
    Doch woher, zum Teufel, rührt diese rüpelhafte Arroganz auf Heftseite neun, die deine dilettantischen, aber den Porträtierten nicht ganz unähnlichen und manchem deiner Texte in puncto Gemeinheit mindestens ebenbürtigen Bleistiftzeichnungen auf den Seiten zehn, elf und zwölf so schamlos offenbaren?
    Ach, Harry, du falscher Hase, was hat dich bewogen, jene, die dir doch beistanden, wenngleich mal mehr, mal weniger eifrig, nicht mit einem Pseudonym oder nur dem jeweiligen Anfangsbuchstaben, sondern klarnamentlich zu benennen? Wie soll ich da noch meinen Vorzugsverdacht hegen und glauben können, du hättest mich verschwiegen, um mich zu schützen? Es wäre für jeden Blödbullen, ja selbst die kaum helleren Jungs von deiner Seite der Front, ein leichtes gewesen, über Stichwörter wie Triade und die authentischen Rufnamen der anderen an unserer Gruppe Beteiligten auf mich zu kommen. Und weshalb verschont dein bodenloser Undank gerade Marc? Und was, außer Gutem, haben Joe, Clara, Marlene, Julia, Frank, Hanna, Thomas und Christoph dir getan?! Warum diese Häme gegen jene, die dir helfen wollten, auch geholfen haben, und sei es nur mir zuliebe?
    Ja, Clara war eine alte, schwabbelige, aber überhaupt nicht gutmütige Seekuh, der keiner ein Wort glaubte, schon gar nicht, daß sie einst im Tutu über irgendwelche Provinzbretter hüpfte. Und zweifellos verfaßte sie die peinlichsten und auch noch herzlosesten Liebesgedichte, manchmal zehn bis zwanzig am Tag, und sicher quälte sie uns bei jeder Gelegenheit mit ihrem von der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin gesponserten ideologischen Gewäsch. Aber hat sie dir nicht dennoch staubtrockene Kekse gebacken und dünnen Tee gekocht? Hat sie dich etwa nicht auf die Sekunde genau zu den Therapiestunden abgeliefert, einmal sogar schon morgens um acht?
    Und Marlene, die das R rollen konnte wie ein

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