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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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Leber schrumpfte. Wie sieht es aus für Harry, wenn die akuten Symptome erst mal abgeklungen sind, fragte ich.
    »Für ihn? Nicht wirklich gut. Aber sehr interessant für uns«, antwortete lächelnd dein Arzt.

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XVII
    »Eines Morgens in aller Frühe«, wie es im Partisanenlied heißt, weckte mich Sturmklingeln; es war noch stockfinster, in dem Fenstersegment mir gegenüber keine Sterne, kein Mond. Und wenn ich, seit du im Krankenhaus lagst, nicht ohnehin schlechter als sonst geschlafen und an jenem Morgen nicht auch noch schlecht geträumt hätte oder wenn ich gar nicht dagewesen wäre, wer weiß, was dann passiert wäre.
    Sie mußten schon eine Weile Krach gemacht haben, denn ich kann mich daran erinnern, daß in meinem Traum schwarze Sommernacht herrschte und daß wir beide durstig und zerlumpt an einem südlichen Strand saßen. Nichts als die Brandung war zu hören und das noch viel lautere Zirpen der Zikaden. Einige dieser Insekten flogen dicht an unseren Köpfen vorbei; ihre Flügelschläge verursachten Luftwirbel, die unsere Gesichter kühlten, was bedrohlich und doch angenehm war, weil vom Meer seltsamerweise nicht die kleinste Brise herüberwehte. Und eine Zikade kam direkt auf uns zu, und für ein paar Sekunden sah ich uns tausendfach gespiegelt in riesigen, fluoreszierenden Facettenaugen, im linken dich, im rechten mich … Aber schließlich sickerte mir ins Bewußtsein, daß die Geräuschintervalle nicht von irgendwelchen Monsterzikaden, sondern von meiner Klingel herrührten, also schlüpfte ich in meinen Bademantel, tappte barfuß zur Tür. Die draußen hatten wohl etwas bemerkt, jedenfalls aufgehört, das Knöpfchen zu martern, doch ihr Gewisper und die gespannte Atmosphäre hättenmich, wenn ich schon ganz bei Sinnen gewesen wäre, sicher gewarnt, mir signalisiert: Deiner harrt nichts Gutes.
    Was ist los? rief ich.
    »Nun beeilen Sie sich mal«, schrillte eine Frauenstimme zurück, »wir haben einen Rohrbruch!«
    Noch immer benommen, machte ich mir Licht, hakte die Kette aus, öffnete – und starrte in drei Pistolenläufe. Neben der Polizistin, die mich mit der Rohrbruchfinte geleimt hatte, standen zwei ihrer Kollegen, einer in Zivil und einer in Uniform, die wie die Frau ihre Waffen auf mich gerichtet hielten, und hinter denen noch vier weitere Uniformierte mit Schlagstöcken. Ich hatte keine Zeit, mich an das Bild zu gewöhnen, denn drei der Polizisten stürmten an mir vorbei, und der Zivile drängte mich in den Flur, packte meinen Arm, dann meinen Nacken, so, daß ich mich umdrehen mußte, und sprach: »Gehen Sie. Vermeiden Sie jede plötzliche Bewegung.« Als er mich an der Wand hatte, kam das Kommando: »Beine auseinander und Hände über den Kopf!« Er befingerte mich von oben bis unten, insbesondere die Taschen meines Bademantels, schob dessen Ärmel zurück, betrachtete meine makellosen Armbeugen, verstaute seine Pistole in dem Schulterhalfter unter seinem Anorak und griff wieder nach meinem Genick. Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen oder zu fragen.
    Im Zimmer angekommen, ließ ich mich auf meine noch warme Matratze fallen; der Zivilpolizist, dessen Hand in meinem Nacken klebte, als spielten wir Polonaise oder das Märchen von der goldenen Gans, setzte sich neben mich, streckte ächzend seine Beine von sich und knurrte: »So ist das mit eurer Sorte. Immer haust ihrentweder ganz unten oder ganz oben, aber vernünftige Betten habt ihr nie.«
    Die blonde, etwas rundliche Polizistin und zwei von den anderen filzten mein Zimmer. Sie kramten in Schubladen, dem Nähkästchen, der Keksschachtel, durchwühlten die Kommode und den Kleiderschrank, stülpten Hosen-, Jacken-, Handtaschen um, schauten hinter die Ofentüren, fuhren prüfend über Buchrücken, zogen Kissen und Steppdecken aus der Bettwäsche und befühlten sie – Zentimeter für Zentimeter, so sorgsam, wie manche Frauen ihre Brüste nach eventuell vorhandenen Knoten abtasten.
    Irgendwann fand ich die Sprache wieder: Zeigen Sie mir gefälligst Ihre Dienstmarken und den Durchsuchungsbefehl. Und was hoffen Sie eigentlich zu finden?
    Die Polizistin antwortete knapp: »Durchsuchungsbefehl? Brauchen wir nicht, bei Gefahr im Verzug.«
    Ihr ziviler Kollege, der meinen Nacken nun doch mal losließ, meinte: »Nicht Sie stellen hier die Fragen, erst einmal haben wir welche. Kommen Sie, wir setzen uns an den Tisch, ist auch besser fürs Protokoll.«
    Ich hörte die anderen Polizisten in Küche und Kammer rumoren und sagte bissig: Na, prima.

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