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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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nach Jamie rufen, er würde mich an der Stimme erkennen. Aber damit würde ich mich noch mehr in Gefahr bringen, falls es jemand anders ist. Das darf ich nicht aus dem Auge verlieren, denn es ist immer noch denkbar, vielleicht sogar wahrscheinlicher.
    Ich sollte meine fünf Sinne beisammenhalten, sonst bin ich am Ende vielleicht noch das Opfer.
    Dann überlege ich, ob ich einen Zettel unter der Tür durchschieben soll.
    Die Idee ist so absurd, dass ich fast lachen muss. Aber was Besseres fällt mir im Augenblick nicht ein.
    Die Stille im Flur dröhnt mir in den Ohren. Mir war nie bewusst, dass die absolute Stille so laut und so beängstigend sein kann. Jeder meiner Atemzüge, jeder Herzschlag, jedes Knacken meiner Glieder scheint in der staubigen Luft bombastisch laut widerzuhallen.
    Durch die herabgelassenen Rollos drang bisher nur wenig Licht, aber jetzt wird es noch düsterer. Ich vermute, dass sich die Sonne hinter Wolken verzogen hat und der Himmel nun grau ist. Die Temperatur ist um ein paar Grad gesunken und mich schaudert es. Aber nicht nur wegen der Kälte, sondern auch vor Angst.
    Seltsamerweise denke ich nicht eine Sekunde daran aufzugeben.
    Ich bleibe stehen. Wenn ich um die nächste Ecke biege, liegt der Klassenraum der 9 d direkt vor mir.
    Bin ich bereit dafür?
    Ich drücke mich gegen die Wand und werfe einen raschen Blick um die Ecke. Die weiße Tür der 9 d scheint im Halbdunkel förmlich zu leuchten.
    Was geht dahinter vor sich?
    Ist Jamie wirklich dort?
    Steht er mit der Pistole in der Hand vor der Klasse?
    Und bedroht sie?
    Obwohl ich beinahe am Ziel bin, kommt mir das Ganze völlig unfassbar vor. Und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob ich nicht einen gigantischen Fehler gemacht habe.
    Andererseits spüre ich noch deutlicher als vorher, dass Jamie irgendwo in meiner Nähe ist.
    Der Sichtschutz an der Tür ist unten, sodass ich nicht hineinschauen kann, doch viel wichtiger ist, dass auch niemand hinausschauen kann. Kein einziges Geräusch ist zu hören.
    Ich frage mich, wie viele Waffen von draußen auf diesen einen Raum gerichtet sind.
    Flach an die Wand gepresst schiebe ich mich langsam auf die Tür zu. Instinktiv unterdrücke ich jede Körperfunktion, die ein Geräusch verursacht, und das schließt das Atmen mit ein. Wenn ich so weitermache, falle ich gleich in Ohnmacht. Keine gute Idee. Also strenge ich mich an, langsam ein- und auszuatmen. Dann wird auch mein Herz wieder ruhiger schlagen.
    Aber ich schaffe es nicht.
    Jetzt habe ich die Tür erreicht. Noch immer ist nichts zu hören. Schweißperlen laufen mir an den Schläfen herab, und alle meine Sinne sind in Alarmbereitschaft. Ist da überhaupt jemand drin? Oder sind sie woanders hingegangen? Und falls Mr s Lucas, Jamie und die 9 d wirklich in diesem Raum sind, warum gibt dann keiner einen Laut von sich?
    Ich befürchte das Schlimmste und beginne beinahe zu wimmern, aber dann beiße ich mir fest auf die Unterlippe und bleibe still. Vorsichtig sinke ich auf meine Knie, beuge mich vor und spähe, ohne die Tür zu berühren, durch das Schlüsselloch.
    Und was sehe ich? Nichts. Nur Dunkelheit.
    Ich muss die Zähne fest zusammenbeißen, um nicht vor Frust aufzuschreien, als mir klar wird, dass entweder der Schlüssel steckt oder jemand das Schlüsselloch von der anderen Seite verhängt hat.
    Was jetzt?, brüllt meine innere Stimme. Was zum Teufel machst du jetzt, Mia Jackson?
    Und noch während ich mich das frage, fällt mein Blick auf die Kammer nebenan. Dort werden die Französischbücher aufbewahrt, und sie ist auch von der 9 d aus begehbar. Das weiß ich noch von meinen Französischstunden in diesem Klassenraum.
    Es kostet mich enorm viel Selbstbeherrschung, nicht gleich die Tür aufzureißen und hineinzustürzen. Stattdessen strecke ich die Hand aus und drücke die Klinke langsam herunter. Zuerst bewegt sich die Tür keinen Millimeter, und ich denke schon, sie ist abgeschlossen. Doch als ich etwas mehr Druck ausübe, geht sie mit einem leisen Klick auf.
    Ich schlüpfe in die Kammer und schließe die Tür hinter mir, um keinen Verdacht zu erregen. Hier ist es dunkel, denn es gibt kein Fenster. Ich kann nicht mal die Hand vor Augen sehen. Ich weiß, wo der Lichtschalter ist, aber ich traue mich nicht, ihn zu betätigen. Behutsam taste ich mich zur Verbindungstür vor und bete innerlich, dass ich nicht gleich ein Exemplar von Madame Bovary oder Bonjour, Madame! Eine Einführung in die französische Sprache runterstoße.
    Während ich

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