Böser Engel
beobachtet, wie ich meinen Tampon gewechselt habe«, sagte Lucie, woraufhin Paul und Ryan Grimassen zogen. »Sie wusste nicht, was ich da machte, ist sofort zu meinen Eltern gerannt und hat ihnen erzählt, ich würde mir an meiner Ihr-wisst-schon-was herumspielen. Fünf Minuten später haben sie mich vor die Tür gesetzt.«
»Und was hast du Schlimmes getan?«, erkundigte sich Paul bei Jane, woraufhin sie ihm von dem Video der Angry Bitter Young Guys erzählte.
»Oh«, sagte Lucie.
»Aber du hast nicht …«, wollte Paul mit einer eindeutigen Geste wissen.
»Nein«, antwortete Jane und machte unmissverständlich klar, dass das Gespräch für sie damit beendet war.
»Ich bin anscheinend der einzige Selbstbeflecker hier«, meinte ich.
»Wir wissen, was du getan hast, vielen Dank«, fuhr Paul mich an.
»Mit dir hat der ganze Schlamassel angefangen«, fügte Lucie hinzu.
»Ja, genau!«, gab Ryan ihr Schützenhilfe.
»Wenn ihr euch bitte wieder beruhigen würdet«, sagte Jane streng und funkelte die drei an.
»Na ja …«, setzte Ryan an.
»Es ist und bleibt eine Sünde«, beharrte Paul.
»Aber wir sind doch Christen«, warf Jane ein. »Wir vergeben Sündern, so wie Gott es uns lehrt. Und wir verurteilen niemanden.«
Paul und Ryan blickten drein, als hätten sie dies zum ersten Mal gehört. Jane wurde mir immer sympathischer. Von ihrer Stärke und ihrer Intelligenz konnten die beide Jungs nur träumen.
»Stimmt«, meinte Lucie. »Habt ihr beiden eigentlich ein Versteck?«
»Ja«, antwortete ich. »Und ich schlage vor, dass ihr drei mit uns kommt. Hier seid ihr nicht sicher.«
»Klar sind wir das«, murrte Paul. »Dies ist eine Kirche.«
»Wo der Mob als Allererstes suchen wird«, hielt ich dagegen. »Und die Leute wollen Blut sehen, glaube es mir.«
In kurzen Worten berichteten Jane und ich von dem Angriff auf Father Reedys Haus. Wir hatten kaum zu Ende gesprochen, da packten die drei ihre Sachen zusammen.
»Geht es Father Reedy gut?«, erkundigte sich Lucie, während sie sich die Jacke zuknöpfte.
»Wir wissen es nicht«, erwiderte ich. »Ich kann nur hoffen, dass ihm nichts zugestoßen ist.«
»Wir sollten für ihn beten«, schlug Lucie vor.
»Später«, entgegnete ich. »Wir sollten vor allem zusehen, dass wir Land gewinnen.« Dabei glaubte ich gar nicht wirklich, dass der Mob jeden Moment durch die Tür kommen würde. Vielmehr wurde Fon Pyre mir langsam zu schwer.
»Willst du vorgehen?«, fragte Paul.
»Nein, ich bilde die Nachhut. Jane wird uns führen«, antwortete ich.
Auf dem Weg zum leerstehenden Eisenwarengeschäft entdeckten wir Chester. Er saß in einem Donutshop und kaute gemütlich vor sich hin. Ich traute meinen Augen nicht. Von sämtlichen Zufluchtsorten, die mir überhaupt einfielen, hätte ich hier bestimmt zuletzt gesucht.
Eigentlich war es dem Zufall zu verdanken, dass ich ihn gesehen hatte. Die anderen waren bereits vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken. Um mit Fon Pyre in Ruhe reden zu können, ohne dass die Neuen etwas davon bemerkten, hatte ich mich ein wenig zurückfallen lassen. Ich hatte ihm gerade erklärt, wie ich den anderen seine Anwesenheit beibringen wollte, als Fon Pyre gemeint hatte, ich solle ihm einen Kaffee besorgen. Und als mein Blick auf den Laden gefallen war, erblickte ich – Überraschung! – Chester.
»Geh in Deckung, aber bleib in der Nähe«, befahl ich dem Dämon, ehe ich den Donutshop betrat.
»Was machst du hier?«, fragte ich Chester und setzte mich ihm gegenüber. Das Cafe war bis auf uns beide leer. Oh, und bis auf Fred, den Inhaber, der hinter dem Tresen stand und mich grimmig anblickte. Ich entschied mich dazu, ihn einfach zu ignorieren.
»Ach, du bist es, Stuart«, sagte Chester. »Freut mich, dass es dir gutgeht. Ich dachte schon, der Dämon hätte dich plattgemacht.«
»Ich habe es überlebt«, gab ich zurück. »Und das habe ich ganz bestimmt nicht dir zu verdanken. Wo bist du hingegangen? Bist du die ganze Zeit über hier gewesen?«
»Ja«, erwiderte Chester. »Ich hatte Hunger.«
»Und da wählst du natürlich ein Cafe, um dich vor einem Dämon zu verstecken?«, sagte ich. »Chester, du bist ein Idiot.«
»Das ist nicht sehr christlich, was du da sagst«, entgegnete er.
»Das bedeutet noch lange nicht, dass es nicht stimmt«, hielt ich dagegen. »Die halbe Stadt ist hinter uns her, und du läufst einfach weg. Wir haben über eine Stunde nach dir gesucht! Wir hätten dabei draufgehen können!«
»Oh«, meinte Chester. »Tut
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