Böser Engel
ein kaltes, schlichtes Büro, wo mehrere andere Hochzeitsgesellschaften darauf warteten, dass der Standesbeamte sie hineinrief.
Dann waren wir an der Reihe. Der Beamte brabbelte das Gelöbnis, wir wiederholten seine Worte und waren verheiratet. Helens Eltern wussten immer noch nicht, dass drei Menschen vereinigt worden waren, nicht zwei. Nachdem die Jordans unseren Auszug aus dem Gerichtsgebäude auf Film gebannt hatten, speisten wir alle in einem nahe gelegenen Spielkasino, warfen ein paar Münzen in die Automaten und fuhren dann auf dem Highway nach Westen zurück. Unsere Hochzeitssuite war ein kleines, muffiges Apartment in der Nähe der Fremont High School. Die Hochzeitsreise fiel aus, weil ich meine Lehrstelle (49 Dollar pro Woche) nicht verlieren wollte.
Kapitel 3
Eine junge Familie
D as metallische Dröhnen einer Glocke riss mich jäh aus dem Schlaf. Mit hängendem Kopf hockte ich einen Augenblick lang an der Bettkante und stand dann mühsam auf. Nach ein paar Wochen erinnerte mich die Wohnung noch immer an ein Motelzimmer für vier Dollar die Stunde, doch nach schmerzhaften Zusammenstößen hatte ich gelernt, im Dunkeln dem Heizkörper und den von Motten zerfressenen Möbeln auszuweichen. Ich verließ das Rollbett, das nie weggerollt wurde, und ging an dem dick gepolsterten Sofa, dem Sessel und dem gebrauchten Fernseher vorbei. Am offenen Fenster ließ ich die kalte Luft über meine Brust streichen, aber die Luft linderte meinen Kater nicht, und meine Zunge klebte am Gaumen. Mein Schädel brummte, als ich mich anzog; darum schluckte ich eine Tablette. »Bis später, Idiotin«, rief ich der schlafenden Helen zu. Dann ging ich.
Später betrachtete sie ihren Bauch im Spiegel und schlüpfte zum ersten Mal in ein Umstandskleid. Entschlossen marschierte sie die wenigen Straßenblöcke entlang zur Kellerwohnung ihrer Eltern und durch die nicht verschlossene Türe. An der Schlafzimmertür blieb sie stehen.
»Morgen, Mama.«
Die Mutter rückte ihre Bifokalbrille zurecht, lächelte und richtete sich auf. »Was hast du da angezogen?«
»Wie sieht’s denn aus?« Sie wartete auf ein Zeichen der Vergebung oder Akzeptanz.
Aber ihre Mutter sagte nur: »Warum hast du es mir verschwiegen?«
»Ich dachte, es ist das Schlimmste, was mir passieren kann.«
»Liebst du ihn?«, fragte sie in verschwörerischem Ton. »Du weißt, du hättest ihn nicht heiraten müssen, wenn du ihn nicht liebst. Warum hast du’s getan?«
»Ich musste es tun, ich war schwanger.« Die Wahrheit drang durch ihre Tränen.
»Du kannst immer noch mit heiler Haut davonkommen. Ich ziehe das Kind als meines auf.«
»Mama, wie könnte ich das tun?« Der Gedanke ließ sie erschaudern. »Ich würde das Kind heranwachsen sehen. Ich wäre seine Schwester. Das würde ich nicht aushalten.«
Die Mutter nahm Helens Hand. »Ich wollte dir nur sagen, was du tun kannst. Du musst nicht bei ihm bleiben.«
»Ich liebe ihn wirklich«, erwiderte Helen zuversichtlich.
Als sie dann wieder zurück in unserem Flitterwochen-Apartment war, das 57,50 Dollar im Monat kostete, vergaß sie die trostlose Umgebung und träumte von einem Baby, das bei liebevollen Eltern in einem glücklichen Heim herumkrabbelte. So wie im Film.
In der realen Welt war sie dankbar dafür, dass das Kind einen Namen bekommen und hoffentlich gut behütet sein würde. Leider waren wir beide nicht für den Alltag einer Ehe geschaffen, aber wir wurstelten uns durch. Als Ernährer brachte ich den größten Teil meines mageren Lohnes nach Hause, nahm Helens Einkaufsliste entgegen und kaufte für eine Woche ein. Sie war zuständig fürs Kochen, für das Putzen unserer wohnwagengroßen Wohnung und für das Bügeln meiner Kleider gemäß den strengen Richtlinien meiner Mutter.
Jeden Abend saßen wir in unserer Miniküche und spielten Rollen, die aus einer Fernsehserie stammen könnten. Ich erzählte von meiner Arbeit, sie machte ein paar Bemerkungen über ihren Tag und berichtete, wie ihr Körper sich veränderte oder was es Neues in ihrer Familie gab. Ich war kein sehr aufmerksamer Zuhörer, dafür ein starker Esser. Nach jeder Mahlzeit machte ich Helen Komplimente, einerlei wie schlecht das Essen geschmeckt hatte.
Sie wollte abends bei mir sein, selbst wenn sie während eines Clubtreffens im Auto warten oder in zwielichtigen Bars Flipper spielen und Limo trinken musste.
Zu Beginn ihrer Schwangerschaft konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, erneut ein Motorrad zu kaufen. Eine Weile benutzten
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