Böser Engel
ungefähr waren. Doch wie in jeder Geheimgesellschaft waren wir der Meinung, dass jedes Mitglied nur das wissen sollte, was es wirklich wissen musste. So waren alle geschützt. Bei Clubversammlungen wurde nie über Drogengeschäfte gesprochen, aber manche unterhielten sich hinterher diskret darüber.
Es war bekannt, dass Tramp und ich mit psychedelischen Drogen handelten und Winston umfangreiche Geschäfte mit Meskalin machte. Sonny war für Heroin und Kokain zuständig und drang damit in die Schickeria vor. Außerdem delegierte er Marihuana-Deals an mehrere Mitglieder und kassierte vermutlich 10 Dollar Provision von den 125 Dollar, die ein Pfund kostete.
Einige andere Mitglieder knüpften kurzfristige Kontakte mit Kellerfabriken, die Amphetamin und andere Drogen herstellten. Tiny hatte gute Verbindungen zu Methamphetamin-Produzenten. Vern war der beste Lieferant mexikanischer Drogen und unser größter Marihuana-Kurier. Er schaffte das Kraut in seinem speziell ausgerüsteten schnellen Ford Ranchero kiloweise von Fresno nach Norden.
Sonny behielt einen großen Teil des Handels im Auge. Er konnte jeden Deal im Interesse des Clubs verbieten, obwohl meines Wissens nie Clubkapital eingesetzt wurde. Seine persönlichen Kontakte und die Kontakte des Clubs halfen uns, die Kommunikation oder den Handel zwischen Oakland und anderen Chartern, darunter auch europäischen, zu fördern und zu koordinieren. Angels aus Massachusetts kamen beispielsweise nach Westen, um LSD und anderen Stoff zu kaufen, und ich schickte ihnen Drogen in ausgehöhlten Büchern. Ein Londoner Angel namens Harley genoss meine Gastfreundschaft, während ich ihm zeigte, wie man Drogengeschäfte auf amerikanische Art abwickelte. Später flogen dann ein paar Angels aus Frisco nach London, um dort bei der Anwerbung von Mitarbeitern zu helfen (dabei benutzten sie ein Büro, das ihnen die Beatles zur Verfügung stellten). 24
Drogen verstärkten die Kommunikation zwischen Nord- und Südkalifornien spürbar. Der Großraum San Francisco war das Vertriebszentrum, aber Südkalifornien war der erste Landeplatz für Drogen wie Kokain, Heroin und Marihuana, die mit Schiffen, Autos sowie Privat- und Linienflugzeugen aus dem Südwesten, aus Mexiko und aus Lateinamerika herbeigeschafft wurden. (Als die Behörden Ende der 60er-Jahre begannen, die Herstellung rezeptpflichtiger Amphetamine in den USA einzuschränken, wurden Speed und Rohchemikalien immer häufiger aus Mexiko importiert. Im Raum Los Angeles eröffneten Oakland-Angels zwei Drogenlabore, die nach Insiderberichten von Angels aus San Diego mit den Chemikalien beliefert wurden.)
Die Bikergruppen und die Polizei wussten, dass unser Club Frauen benutzte, um Drogen in Gepäckstücken mit doppeltem Boden per Flugzeug nach Norden zu schmuggeln. Aber der Pendlerflugverkehr von Los Angeles nach San Francisco verringerte bestenfalls das Risiko, erwischt zu werden. Wir benutzten die gleiche Methode, um Heroin zwischen Frisco, Buffalo und Omaha zu transportieren und das LSD des Charters Richmond nach Osten zu bringen. 25 Die Bundespolizei schätzte, dass die Angels Ende der 60er-Jahre im ganzen Land Drogen im Wert von rund zehn Millionen Dollar pro Jahr verkauften.
In Kalifornien knüpften einige Charter keine festen eigenen Kontakte, sondern handelten mit größeren und reicheren Chartern wie uns. Und wenn die Quellen eines Clubs versiegten, forderte er Drogen von einem anderen Charter an, so wie ein einzelnes Mitglied nötigenfalls seine Brüder um Motorradteile bitten würde. Dass unser Charter oder das von San Jose – der dortige Club hatte gute Verbindungen zu Mexiko – betteln musste, kam selten vor. Unsere Quelle war immer mindestens ein Rinnsal und manchmal eine Flut.
Selbst wenn das Geschäft ein wenig flau zu sein schien, stolperte man über Anzeichen, die dafür sprachen, dass Geld verdient wurde. Eines Morgens um sechs Uhr war ich auf Crystal Speed unterwegs, als ich bei Sonny ein beleuchtetes Fenster sah. Um das Haus strich ein Dobermann-Paar hinter einem kettenähnlichen Zaun. Drinnen fand ich Sonny und Mexican Ed, ein namhaftes Mitglied der Galloping Gooses, eines Motorradclubs in San Diego, der als Hauptlieferant der Berdoo-Angels galt. Die beiden zerteilten und verpackten eine Salatschüssel voller Heroin. Wie sich herausstellte, war Ed Sonnys wichtigster Kontaktmann, seit er von Gras und ein paar Tabletten auf härtere Drogen umgestiegen war. Während wir plauderten und Kokain zogen (Sonnys
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