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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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natürlich nicht zu unserem öffentlichen Image als stets loyale Brüder. In Wahrheit sorgte gerade die wichtigste Grundregel am häufigsten für Ärger: »Ein Angel hat immer recht.« Sie zwang Mitglieder immer wieder, einander in der Öffentlichkeit zu unterstützen – selbst wenn ein Mitglied eindeutig im Unrecht war. Oft brachten die Unterstützer solche Vorfälle bei Meetings zur Sprache, und die Mitglieder, die sich danebenbenommen hatten, wurden verwarnt und mit Geldstrafen belegt.
    Um den Frieden im Club zu bewahren, durften wir auch nicht mit den Frauen anderer Mitglieder herummachen. Vergewaltigungen waren ebenfalls verboten, weil sie unserem Ruf schadeten und Strafverfahren angesichts so vieler williger Frauen in unserem Umfeld nicht nur ein teures, sondern auch ein unnötiges Ärgernis waren. Die dafür vorgesehene Strafe war der Ausschluss, doch in der Praxis blieb es bei Geldstrafen ab 25 Dollar. Ein prominenter Angel in Oakland wurde allerdings für ein Jahr suspendiert, weil er angeblich die Frau eines anderen Mitglieds vergewaltigt hatte, kurz bevor diese Selbstmord beging.
    Eigentumsdelikte wurden härter bestraft als Vergewaltigungen. Wer ein anderes Mitglied bestahl oder bei einem Drogengeschäft hinterging, wurde ausgeschlossen.
    Um uns vor unzuverlässigen Brüdern zu schützen, die möglicherweise stahlen oder petzten, verboten wir auch das Spritzen von Drogen. »Einem Junkie kann man nicht trauen«, lautete die Devise. Wer mit Nadeleinstichen oder Spritzbesteck erwischt wurde, erhielt die Chance, sofort einen kalten Entzug zu machen – auch wenn das manchmal bedeutete, für ein paar Wochen in einen Schrank eingesperrt zu werden. Kehrte er zum Heroin zurück, wurde er gnadenlos für immer ausgeschlossen. Wir verloren ein paar beliebte Mitglieder an die Nadel, darunter »Junkie George« und Waldo. (Ich versuchte, Waldo vom Heroin abzuhalten, indem ich ihm 5000 Dollar in bar, kostenlose Unterkunft und Verpflegung, ein Motorrad und einen Job anbot, wenn er aufhörte. Er lehnte ohne zu zögern ab und verschwand.)
    Respekt vor dem Eigentum des Clubs, insbesondere vor allem, was den Totenkopf oder den Clubnamen trug, war ebenfalls unabdingbar. Wer die Clubfahne beschmutzte, musste fünfzig bis hundert Dollar bezahlen. Der Verlust des Aufnähers – egal, ob jemand eine Kutte verlor oder ob die Polizei sie beschlagnahmte – kostete hundert Dollar. Mitglieder gaben sich die größte Mühe, ihre Kutte wiederzubekommen, denn wer kein Abzeichen trug, war Feinden im Club hilflos ausgeliefert. Sowohl Mitglieder als auch deren Frauen – Letztere trugen Pseudoabzeichen mit den Worten »Eigentum der Hells Angels« – mussten ihre Abzeichen sauber halten, selbst wenn sie die Kutte dafür in die Wäscherei bringen mussten.
    Der Zusammenhalt basierte nicht mehr allein auf brüderlichem Stolz. Er war eine Versicherungspolice, die unsere Lebensgrundlage schützte und uns vor dem Knast bewahrte.
    Anfang der 60er-Jahre hatten die meisten von uns Jobs, doch am Ende dieses Jahrzehnts war die Mitgliedschaft bei den Hells Angels für viele ein Hauptberuf und für die meisten zumindest ein Zusatzeinkommen. Nur sehr wenige Mitglieder betrachteten den Club als Hobby, und diese wurden bald zum Teufel gejagt.
    Die Clubstruktur passte sich dem Drogenhandel mühelos an. Alle wichtigen Aufgaben übernahmen Mitglieder: Sie waren Lieferanten, Dealer, Vollstrecker und Kuriere. Ermittler waren zwar der Meinung, wir wären wie eine Armee organisiert, aber in Wirklichkeit ging es ziviler zu.
    Drogengeschäfte wurden den Mitgliedern nicht befohlen, und nicht jedes Mitglied war ein Dealer, aber wer interessiert war, suchte sich einen der verfügbaren Jobs aus. Die Mitglieder mit den besten Beziehungen entwickelten sich zu Anführern, während der Rest um ein Stück vom Kuchen buhlte. Die meisten Mitglieder rekrutierten ihre besten Freunde oder die größten verfügbaren Talente, aber wer Durchsetzungsvermögen besaß, konnte sich durchaus in ein Dealerkollektiv hineinboxen. Andererseits konnte ein Dealer jeden ausschließen, der rangniedriger war als er. Ich lehnte beispielsweise Winston als Mitglied meiner Gruppe ab, weil seine Arbeitsweise nicht zu uns passte. Er hatte mehr Erfahrung im Umgang mit Heroinsüchtigen als mit LSD-Hippies. Aber es boten sich derart viele Gelegenheiten, dass fast jeder eine ergreifen konnte, wenn er nur wollte.
    Im Großen und Ganzen wussten wir, wer mit wem handelte und wie hoch die Umsätze

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