Böser Engel
und psychischen Auswirkungen von Drogen auseinander, indem er sie sich eingestand.
Ich glaube, wir unternahmen oft Drogentrips, weil wir das unbewusste Bedürfnis verspürten, über Ängste und Albträume zu reden. Mit der Zeit hatten wir alle so oft mit Drogen experimentiert, dass wir wussten, wie viel wir schlucken konnten, ohne auszuflippen. Manchmal überschritten wir allerdings Grenzen, um mehr über uns selbst zu erfahren. Ein Angel, der seinen Bruder während eines verpatzten Trips umarmte oder mit ihm eine »tief greifende Erfahrung« teilte, war nie mehr allein. Wer einem anderen Angel seine Schwäche und sein innerstes Selbst offenbarte, blieb mit ihm verbunden.
Sonny glich dem Papst, dem Präsidenten und dem Vorstandsvorsitzenden von General Motors – er musste einem großartigen Idealbild gerecht werden. Während 99 Prozent der Zeit bekamen wir nur dieses harte Äußere zu sehen. Wenn ein Angel recht hatte, dann musste er immer recht haben. Wenn ein Angel böse war, musste er Satan persönlich sein. Sonny musste sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag der ultimative Hells Angel sein. Und wenn er dessen müde wurde, konnte er höchstens ein paar Wochen Urlaub machen.
Egal mit wie vielen Strafanzeigen er sich herumschlug, er ließ sich nicht unterkriegen und hatte Spaß daran, sich mit den Cops zu messen. Doch wer ihn näher kannte, wusste, dass er zu Paranoia und Überreaktionen neigte. Manchmal verkleidete er sich, und er hörte stündlich den Polizeifunk ab. Er hatte mehrere Telefone und schraubte, um nicht abgehört zu werden, die Sprechmuscheln ab, wann immer er in einem Raum mit Telefonen Geschäfte machte. In seinem Schlafzimmer bewahrte er Pistolen und Ladestreifen auf – sogar unter seinem Kopfkissen –, und in der Wandverkleidung versteckte er schwerere Waffen. Ein hoher Stacheldrahtzaun und seine Hunde sorgten für den äußeren Sicherheitsring.
Für alte Freunde wie mich war Sonny einfach ein Mann, ein außergewöhnlicher, aber von Sorgen geplagter Mann. Für andere – und vielleicht für sich selbst – war er ein Gott unter Bikern. Andere durften bekifft umfallen und vor Entsetzen flennen; er durfte es nicht. Wenn er merkte, dass er eine bestimmte Droge schlecht vertrug, weigerte er sich strikt, sie zu nehmen. Als er zum letzten Mal Phenzyclidin schluckte, war er mit mir und Zorro auf einem Trip. Stundenlang lag er auf seinem Sofa, deckte seine Augen mit den Händen zu und war weder fähig noch willens, mehr von dem Zeug zu nehmen. Er litt, und er konnte es sich nicht allzu oft leisten, dass seine Aura getrübt wurde.
Kapitel 17
Die Falle schnappt zu
»Weißt du, wofür ich den Club am meisten hasste? Er nahm George den Glauben an Gott. Einmal sagte er zu mir: ›Ich bin Gott.‹ Die Angels vermittelten ihm ein Gefühl der Macht. Sie glaubten, sie könnten alles tun und hätten alles im Griff. Als George zu mir sagte, er sei mein Gott, meinte er das nicht wörtlich. Er musste seine Rolle als großes Tier spielen. Das stärkte sein Selbstbewusstsein. Er musste oben bleiben, aus den anderen Marionetten machen. Das lag zum Teil am LSD, mit dem man Grenzen überschreiten konnte. Es ist gottähnlich. Es gibt dir eine Macht, die du zuvor nicht gekannt hast. Damit begannen Georges Probleme. Er begann sich für Gott zu halten, mit Macht über Leben und Tod.«
Helen Wethern
D er Club war Helens schlimmster Feind Sie machte ihn dafür verantwortlich, dass die Kinder die zweite Geige spielten. Außerdem fand sie es grob unfair, dass ich immer wieder fünfzig oder hundert Dollar Buße zahlen musste, weil ich zu Hause blieb anstatt an Clubveranstaltungen teilzunehmen. Im Grunde glaubte sie, man bestrafe mich jedes Mal, wenn ich ein guter Ehemann und Vater war.
Ihre Sorgen waren nicht die meinen. Ich verschlimmerte die Situation sogar noch. Ende 1968 brauchte Zorro einen Unterschlupf für seine Affäre mit Jan, einer mäßig attraktiven ehemaligen Oben-ohne-Tänzerin. Also lud ich sie zu mir ein. Zorro ließ seine feste Freundin Linda in Alameda und zog mit Jan in unsere Waschküche. Mit einer Matratze, ein paar Postern und Kerzenhaltern machte er den Raum etwas wohnlicher.
Anfangs freute sich Helen über die Gefährtin, obwohl Jan im Haushalt nicht zu gebrauchen war. Wenn Zorro und ich geschäftlich unterwegs waren, kifften sie, gingen einkaufen oder unterhielten einander mit Anekdoten. Endlich fühlte sich Helen abgeklärt und sicher in ihrer Rolle als Gangsterbraut. In einem
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