Böser Engel
Diese vier kurzen Worte erinnerten mich stets an die drei wichtigsten Menschen auf der Welt.
Ich machte Fortschritte, einen behutsamen Schritt nach dem anderen, trotz gelegentlicher Ausrutscher. Die Wärter und die Ärzte merkten, dass es mir besser ging, und am 30. Januar 1969 schrieb mein Psychiater, Dr. Bancroft M. Brooks, folgenden Brief:
Lieber Mr. Bonjour,
ich habe Ihren Mandanten George Wethern am 16. Januar 1969 im Highland General Hospital zum ersten Mal gesehen. Damals litt er an einer Drogenvergiftung. Als ich ihn am 20. Januar in der City Hall erneut sah, hatte sich sein Zustand weiter verschlimmert. Ich hatte den Eindruck, dass es sich nicht um eine vorübergehende Vergiftung handelte, sondern um eine organische Psychose, die tage- oder wochenlang anhalten kann. Obwohl er in der Lage gewesen wäre, eine Kaution zu zahlen, schlug ich vor, ihn im Gefängnis zu lassen, solange sein Verhalten eine Gefahr darstellt. Da sich sein Zustand am 24. Januar noch nicht zu bessern begonnen hatte, behandelte ich ihn mit hohen Dosen Thorazin (Chlorpromazin). Am folgenden Tag stellte ich eine deutliche Besserung fest. Seither habe ich ihn zweimal gesehen, und es geht ihm nach wie vor besser.
Er war sechs aufeinander folgende Tage lang ruhig und vernünftig, und meiner Meinung nach bestehen keine Bedenken, ihn auf Kaution zu entlassen. In diesem Fall werde ich ihn weiter behandeln.
Als man mich aus meiner Zelle holte, wusste ich nichts von dem Brief und von der Kaution in Höhe von 7500 Dollar. Ich hatte keine Ahnung, ob mir die Freiheit oder die Gaskammer winkte. Man informierte mich darüber, dass Zorro sich erstaunlich schnell erholte, aber das konnte ein Trick gewesen sein, um mich zu beruhigen.
Doch ich ging wieder hinaus in die Sonne. Seit der Schießerei waren zwei Wochen vergangen. Ich war rasiert, trug kurze Haare und wog etwa 18 Kilogramm weniger – ein neuer Mann in einer neuen Welt. Als man mich zu einem Kautionsvermittler brachte, fragte ich mich, ob mir mein Geist wieder einmal einen grausamen Streich spielte. Dann spürte ich Helens Arme. Wir weinten vor Freude.
Wie Teenager bei der ersten Verabredung fuhren wir eine Weile in der Stadt herum. Wir zögerten, in das Haus der hässlichen Erinnerungen zurückzukehren. Irgendwann sagte ich: »Fahren wir nach Hause, Baby.«
Das Haus sah aus, als gehöre es anderen Leuten. Das Blut war weg. Die Drogenvorräte nebst Zubehör ebenfalls. Und kein einziger Fremder pennte auf dem Fußboden.
Um uns wieder als Familie zu fühlen, erzählten wir einander zuerst, was wir durchgemacht hatten. Als ich meine Albträume beschrieb, versicherte mir Helen: »Ich war jede Nacht bei dir. Und immer wenn ich halb schlafend, halb wach dalag, war mir kalt. Ich weiß nicht, ob dir auch kalt war, aber mir kam deine Zelle eisig vor. Mir sind Bilder durch den Kopf gegangen, und ich wusste, was du durchmachst. Die Zelle war teilweise dunkel, aber in der Mitte der Decke hing eine helle Lampe. Ich konnte die Wände nicht sehr gut sehen, aber du warst meist in einer Ecke.«
Kapitel 19
Freiheit und verblassende Farben
A m nächsten Tag fuhr ich zum Krankenhaus und ging in Zorros Zimmer. Wir umarmten einander, und ich hatte Tränen in den Augen. Es war unglaublich, dass ein so drahtiger Bursche so viele Kugeln überlebt hatte. Ihn mit meinen eigenen Augen zu sehen war die einzige Möglichkeit, all die Albträume über seinen Tod und meinen Mordprozess zu vertreiben.
»Schon gut«, sagte Zorro. »Alles ist gut. Aber drück mich nicht so stark. Das tut weh.«
Er sank zurück. Sein Gesicht war weiß wie das Kissen, seine Arme und Beine spindeldürr wie das Bettgestell. Mit dem rechten Bein im Streckverband, dem eingegipsten rechten Arm und dem vernähten Rumpf sah er aus wie ein ausgehungertes Frankensteinmonster. Er war bedrückt, doch dann sah er Bobby.
Zorro zwinkerte dem Kleinen aufmunternd zu und fuhr mit dem Finger über seine Zickzacknähte. »Das sind meine Eisenbahnschienen.« Dann deutete er auf seine Leiste. »Und das ist mein Zug.« Bobbys Apfelbäckchen wölbten sich, und er kicherte. Für ihn gab es nur einen vagen Zusammenhang zwischen Zorros »Unfall« und meiner Abwesenheit.
Zorro berichtete, ein Bein werde kürzer als das andere und unbrauchbar steif bleiben. »Der Arzt sagt, ich werde nie wieder Motorrad fahren können. Und der wird auch nicht mehr gut.« Er nickte seinem Arm zu.
»Glaub nicht alles, was der Arzt sagt«, erwiderte ich wenig überzeugt. »Wenn
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