Böser Engel
körperliche Narben davontrug. Sie spendeten Blut für ihn, aber mir konnten sie nicht vergeben und mich nicht mehr willkommen heißen.
Die Schießerei schlug auch eine tiefe Kerbe zwischen die Clubführer. Manche Mitglieder behandelten mich wie einen Verrückten. Animal, ein strenger Verfechter der Clubregeln, und Vern sagten: »Er hat auf einen Bruder geschossen, also muss er erschossen werden ... Ich hätte ihn selbst umgelegt, wenn ich sein Opfer gewesen wäre.« Doch offenbar hatte keiner den Mumm oder die Unterstützung dafür, etwas zu unternehmen.
Andere Mitglieder, darunter Winston, meinten: »Wenn George auf Zorro geschossen hat, muss er einen guten Grund gehabt haben.« Sonny, der loyal zu mir stand und Zorro nicht sonderlich mochte, brachte dieses entzweiende Gerede zum Verstummen, indem er mir den Rücken stärkte. In den folgenden Jahren scherzte er sogar immer wieder mit den Worten: »Der Krankenwagenfahrer hat alles vermasselt. Du hast dich zu sehr beeilt mit Zorro. Ich war schon mit einer Schaufel unterwegs.« Diesen Witz brachte er sogar, wenn Zorro dabei war.
Sonny, Winston, Tiny, Big Don und einige ausgeschiedene Mitglieder wie J. B. und Paul waren so ziemlich die Einzigen, die nach der Schießerei noch zu uns kamen. Sonny sagte gleich am Anfang zu mir: »Wenn du reden willst oder etwas brauchst, ruf mich an. Zur Hölle mit den anderen. Kümmere dich nicht um die anderen, sondern um dich.« Und egal zu welcher Tages- und Nachtzeit ich ihn auch anrief – er kam. Er blieb jeweils nicht lange, vielleicht eine Stunde, aber er beruhigte mich. Helen brachte ihm eine Tasse Kaffee, dann fingen wir an zu reden. Sonny war fürsorglich und zeigte mir, dass er zu mir hielt, was auch immer geschah.
Es war tröstlich, dass der Chef auf meiner Seite stand, während so viele Mitglieder wegblieben, die jahrelang bei uns gekifft, gegessen und gefeiert hatten. Sie fragten nie, ob meine Familie angesichts der steigenden Anwalts- und Arztkosten Hilfe brauchte.
Am meisten schmerzte mich, dass Tramp nicht mehr kam. Er informierte mich kühl darüber, dass unsere Partnerschaft beendet sei, weil Sand keine Geschäfte mehr mit mir machen wolle. »Du verstehst«, sagte er. »Du kannst jetzt nicht mehr zu diesen Leuten gehen. Seit der Sache mit Zorro haben sie Angst vor dir.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen.« Ich akzeptierte meine Ausmusterung, weil ich ohnehin keine Lust mehr hatte, mit der Dealerei weiterzumachen. Aber Tramps Worte klangen falsch in meinen Ohren. Benutzte Sand die Schießerei als Vorwand, um einen verhassten Feind loszuwerden? Hatte er sich überhaupt beklagt, oder ergriff Tramp nur die Gelegenheit, unsere Partnerschaft zu beenden? Hatten sich beide verschworen, um ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen? Eines war klar: Tramp tat sich auf Kosten eines Bruders mit einem Nichtmitglied zusammen. Das verletzte den Club-kodex und tat mir weh.
Auch Helen hielt die Mitglieder, die in guten Zeiten bei uns geschnorrt und mich in schweren Zeiten im Stich gelassen hatten, für Heuchler. »Das sind also deine Brüder?«, fragte sich mich wütend. »Die Typen, für die du dich immer eingesetzt und die du mir vorgezogen hast? Wo ist denn da eure brüderliche Kameradschaft, Liebe und Fürsorge? Steck sie dir an den Hut!«
Als ich glaubte, der Sturm würde sich langsam legen, bekam Zorro einen Rückfall. Er wurde mit Lungenentzündung und einer Staphylokokken-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Nachricht, die nur aus dem Wort »Hilfe!« bestand, trieb mich in sein Zimmer auf der Intensivstation. Ich musste mich als sein Bruder ausgeben, um reinzukommen. Zorro lag unter einem Sauerstoffzelt und wartete anscheinend auf seinen Tod. Seine Passivität machte mich wütend. Er hatte lange genug auf mir herumgehackt und mich als Krücke benutzt. Meiner Meinung nach schadete er sich absichtlich selbst, um mich zu bestrafen.
»Wenn du daliegst und stirbst, bringst du uns beide um«, sagte ich. »Ich hab die Schnauze voll, du Wichser. Wenn du sterben willst, dann stirb. Wenn du leben willst, dann steh auf und komm mit mir raus. Raus aus dem Bett! Gib nicht auf!«
Offenbar hatte Zorro auch selbst die Nase voll von sich. Jedenfalls riss er sich zusammen und fuhr nach Hause. Beim Bass Lake Run dieses Jahres fuhr er hinten in einem Kombi mit, und er hinkte noch über ein Jahr lang stark. Aber er strafte seine Ärzte Lügen und fuhr später wieder Motorrad. Seinen Narben fügte er ein Tattoo hinzu: »45er
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