Böser Engel
du es willst, dann kannst du es. Du musst nur daran arbeiten. Und wenn du Hilfe brauchst, ruf mich einfach an, jederzeit. Geld oder sonst was.«
Vor Zorros Entlassung zahlte ich einen Teil seiner Auslagen und tat, was ich konnte, um Linda zu helfen. Unter anderem brachte ich ein Krankenbett in ihr Haus. Doch als Zorro ankam, gab er sich den Medikamenten und seinem Selbstmitleid hin und war völlig niedergeschlagen. Da ihm die Physiotherapie zuwider war, hörte er damit auf. Er verfluchte seinen Zustand – und mich – und ließ seinen Frust größtenteils an Linda aus. Wenn er sie schlug oder mit Gegenständen bewarf, rief sie mich manchmal an und bat: »Bitte hilf mir. Ich weiß mir mit Zorro keinen Rat mehr.«
Mehr als einmal fand ich Zorro mit Medikamenten vollgepumpt und tobend vor. Dann warnte ich ihn: »Zorro, nimm das Zeug nicht. Du bringst dich um. Tu was. Beweg dich. Iss.« Einige Male überredete ich ihn, etwas zu essen, doch sein Groll und seine Depressionen kehrten bald zurück. Da ich Schuldgefühle hatte, stand ich einfach da und ließ seine Schimpfkanonade über mich ergehen, selbst wenn er mir Essen ins Gesicht warf.
Irgendwann hatte ich genug von den Besuchen und Beleidigungen. Mir drehte sich der Magen um, wenn Linda anrief oder vorbeikam, um über Zorros Gesundheit zu klagen. Helen und ich hörten nur halbherzig zu; wir kämpften um unsere eigene Genesung, so gefühllos das auch klingen mag.
Anstatt wieder zu meinen Waffen, dem Chopper und dem Telefon zu greifen, kehrte ich auf den Bau und zu einem Job mit geregelten Arbeitszeiten zurück. Dort heilten meine seelischen Wunden schneller als bei Drogengeschäften. Statt während der Mittagspause Drogen zu verkaufen, streckte ich die Fühler nach Baumaterial für die Ranch aus.
Drogen waren das Letzte, woran ich dachte. Ich hörte im kalten Entzug über Nacht damit auf und nahm auch das Thorazin nicht mehr, das mir der Arzt verschrieben hatte. Ich wollte gleich alles sein lassen, denn die Trennlinie zwischen Medikamenten und Sucht erschien mir sehr dünn. Drogen hatten mich bis an den Rand des Mordes getrieben – und diese Grenze wollte ich nie überschreiten.
Ich machte die Drogen im Allgemeinen und besonders das DOA für die Schießerei verantwortlich und startete einen Feldzug gegen sie. Ich belehrte Helen, enge Freunde und einige Mitglieder – die Menschen, die ich an Drogen gebracht hatte.
In J. B.s Haus schilderte ich, wie ich die Schießerei erlebt hatte, und beschrieb meine Tortur im Knast. Dann bat ich: »Hören wir auf mit dem Zeug. Nehmt nichts mehr.«
Alle hörten höflich zu, aber niemand war bereit, seinen Lebensstil zu ändern, nicht einmal Helen. »Nimm mir die Aufputschmittel und das LSD weg«, sagte sie zu mir. »Aber lass mir das Gras. Ich fühle mich so wohl, wenn ich es rauche, so locker. Manchmal hilft es mir zu lachen, obwohl unser Leben ein Horrortrip ist.«
Nach der Schießerei wandte sich der Club vom DOA ab. In den Versammlungen der kalifornischen Charter wurde berichtet, dass ich eine Überdosis von diesem Zeug genommen und daraufhin Zorro umgenietet hatte. Nur ein paar Tage nach der Schießerei hatte Winston ebenfalls zu viel davon geschluckt und war mit einer Maschinenpistole und einem Eimer voll rostiger Nägel aus dem Haus gerannt. Seiner Frau hatte er zugerufen, er wolle auf seinem Grundstück eine Kirche bauen und werde jeden erschießen, der versuche, ihn daran zu hindern. Das gab wohl den endgültigen Ausschlag für Sonny, der selbst einige üble DOA-Trips erlebt hatte. Er sagte mir, er habe heimlich eine Probe an die Polizei geschickt, um sie analysieren zu lassen, und dadurch erfahren, dass das DOA in Wirklichkeit Phencyclidin-Hydrochlorid oder PCP sei, besagtes Beruhigungsmittel für Tiere. Wir hatten dutzend- bis hundertmal mehr genommen, als man einem Tier von der Größe eines Mannes verabreichte. Der Club entschied, die Droge zu verbieten.
Vergebung war zwar keine Stärke des Clubs, aber ich hätte nie erwartet, dass man mich wie einen Ausgestoßenen behandeln würde. Viele Mitglieder schienen sich davor zu fürchten, auf der Straße vor mir zu gehen. Dies war der Preis, den ich für meinen Verstoß gegen die Clubregeln bezahlen musste. Da ich auf Zorro geschossen hatte, war ich nun eine Bedrohung für das Leben jedes Mitglieds.
Bei Versammlungen, Partys und zufälligen Begegnungen gingen die Jungs auf Distanz. In ihrem Schwarzweißdenken hatte Zorro am meisten gelitten, weil er
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