Böser Engel
angefertigt hatte. Allerdings erlaubten sie mir, meine Fünf-Jahres-Plakette zu behalten, weil darauf mein Name eingraviert war – und niemand konnte mir diese Jahre nehmen.
Mein Austritt und einige andere teils kalkulierte, teils zufallsbedingte Faktoren erhöhten meine Chance auf einen Freispruch oder ein mildes Urteil. Das Gericht hatte das Schreiben meines Psychiaters sowie Leumundszeugnisse von meiner Gewerkschaft und meinem Arbeitgeber bekommen. Meine 35 beschlagnahmten Waffen verkaufte ich aus eigenem Antrieb.
Zur Gerichtsverhandlung erschien ich in einem dunklen Anzug und sah für alle Welt wie ein bekehrter Sünder aus. Es blieb nur die offene Frage, ob Zorro gegen mich aussagen würde. Da er zu den ersten beiden Anhörungen nicht erschienen war, sah es so aus, als würde mich die ungeschriebene Clubregel, nie zugunsten der Anklage auszusagen, retten. Am 13. August 1969 saß er zusammen mit J. B. und Irma unter den Zuschauern. Richter Allen E. Broussard fragte Zorro, ob er aussagen wolle.
»Ich möchte nur hier raus«, lautete die Antwort. »Ich will, dass alle nach Hause gehen können.« Er weigerte sich, mich zu belasten.
Die Staatsanwaltschaft nahm die Anklagen wegen Körperverletzung zurück, weil zwei Beamte zu weit weggezogen seien, um als Zeugen aufzutreten. Im Gegenzug räumte ich eine einfache Körperverletzung, Widerstand gegen meine Festnahme und einige geringfügigere Delikte ein.
Am 18. September wurde ich zu einer Freiheitsstrafe von 180 Tagen verurteilt. Die Strafe wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Kapitel 21
Ruhestand mit dreissig
I m Prinzip konnte man den Club aus allen Arten von Gründen verlassen: Krankheit, familiäre Probleme, sogar verlorenes Interesse. Man brauchte nur zu sagen: »Ich trete aus.« Allerdings konnte man nur »in den Ruhestand gehen«, wenn man alle Verbindungen zum Club abbrach, denn ein Austritt widersprach dem Clubmotto »Angels forever, forever Angels«. Ein Austritt glich der Fahnenflucht.
Wer austrat, konnte vom Club nichts mehr verlangen, es sei denn, er besaß etwas, was der Club wollte, oder er hatte einflussreiche Freunde. Andererseits konnte der Club nahezu alles von einem Exmitglied verlangen, zum Beispiel Waffen oder Material für Bomben. Er konnte einen ehemaligen Angel auffordern, illegale Waffen zu verstecken oder ein Mitglied zu beherbergen, das auf der Flucht war. Es kam vor, dass man mitten in der Nacht von zugedröhnten, müden oder hungrigen Bikern besucht wurde, die in der Gegend gestrandet waren, und man traute sich nicht, die Gastfreundschaft zu verweigern, um nicht als Verräter abgestempelt zu werden.
Es war streng verboten, mit einem Außenseiter – selbst wenn dieser ein Familienmitglied war – über Clubangelegenheiten zu sprechen, da die Gefahr bestand, dass man Informationen preisgab, die der Polizei nützlich sein konnten. Kontakte mit Journalisten waren ebenfalls tabu, weil ehemalige Mitglieder nicht für den Club sprechen konnten – und was in der Zeitung stand, wusste bald auch die Polizei.
Ausgetretene mussten behutsam mit Aktiven umgehen. Bei einem Streit war das aktive Mitglied meist im Vorteil, egal was für ein hohes Tier das Exmitglied einst gewesen war. Die Loyalität zum Club war wichtiger als jede Freundschaft.
Wer alle Kontakte zu alten Clubfreunden abbrach oder seine Zelte weit entfernt vom Club aufschlug, konnte die meisten dieser Probleme vermeiden. Aber er musste auch auf die Vorteile verzichten, die ein wohlgelittenes früheres Mitglied genoss. Manchmal halfen der Club oder einzelne Mitglieder einem Ausgetretenen, wenn dieser verletzt war, im Knast saß oder Geld brauchte. Reiche Mitglieder oder der Schatzmeister des Clubs liehen ihm Geld. Ein beliebtes Exmitglied profitierte von einer Art Krankenversicherung, einer Vorzugsbehandlung bei Blutbanken, von Hilfe bei Kautionen und rechtlichem Beistand. Je nachdem, wie groß das Ansehen des Ausgetretenen war, wurde er fast so gut behandelt wie ein unbeliebtes Mitglied. Das waren die Überreste der Bruderschaft.
Im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung blieben Mitglieder fast immer »aktiv«, wenn sie im Gefängnis saßen. Man verzichtet nicht auf den Schutz, den der Namen »Hells Angels« bietet, wenn man in San Quentin 45 sitzt. Einige Mitglieder verstärkten diesen Schutz noch, indem sie sich mit der Aryan Brotherhood anfreundeten, einer rassistischen weißen Gefängnisgang, in der Biker dominierten. Zu diesen Leuten gehörten auch
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