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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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dass die Ärzte gerade um das Leben von Charlottas bester Freundin kämpfen. Aber sie rufen nicht an. Sie fahren los. Und weil Uwe Brandt noch tanken muss, nehmen sie nicht den normalen Weg zur Autobahn. Sie kommen nicht an dem völlig zerbeulten BMW , dem zerbeulten Rad und den Blutflecken auf dem Asphalt vorbei. Aber in dem derzeitigen Zustand hätten sie das Rad von Emilia ohnehin nicht mehr erkannt.

Ein stummes Fernsehbild
    T orsten Schreiber kann sich nicht bewegen und wenig sehen. Der Airbag vorne und der Seitenairbag sind prall aufgeblasen, die Frontscheibe ist zerborsten. Der Zündschlüssel hat sich in sein Knie gebohrt. Im Ohr hat er noch den Knall, ganz kurz sieht er noch mal wie in Zeitlupe vor sich, wie der Körper auf die Scheibe prallt.
    Wo ist dieses Mädchen?
    War es ein Mädchen?
    Er versucht, sich zu bewegen. Alles schmerzt. Er kann die Tür nicht öffnen. Zu dem Schmerz kommt Panik. Er guckt in den Rückspiegel, sieht ein völlig demoliertes Rad auf dem Asphalt. Sonst nichts. Die Stille macht ihn wahnsinnig. Er muss aus dem Auto raus, er muss dem Mädchen helfen. Er ist sich plötzlich sicher, dass es ein Mädchen war, für den Bruchteil einer Sekunde hat er ihr aufgeschrecktes Gesicht gesehen. Torsten Schreiber versucht, sich auf den Beifahrersitz zu schieben, um die andere Tür auszuprobieren. Ein jäher Schmerz durchfährt seine linke Seite. Später wird sich herausstellen, dass er sich mit dem eigenen Ellenbogen drei Rippen gebrochen hat. Er schafft es, sich halb im Sitz umzudrehen. Durch die Rückscheibe sieht er sie wie in einem Fernseher. Es ist immer noch ein Stummfilm. Er starrt auf den Körper da am Boden, Knochen ragen aus der Jeans, er sieht das viele Blut. Der Kopf liegt in einem seltsamen Winkel zum Oberkörper. Sein eigener Schrei unterbricht die Stille. Er muss die Polizei anrufen. Das Handy ist in seiner Jackentasche. Die liegt im Fußraum vorm Beifahrersitz. Millimeter für Millimeter schiebt er sich nach unten. Er verbietet sich den Gedanken, ob er sich wirklich beeilen muss. Wieso hat er das Mädchen nicht gesehen? Erst jetzt merkt er, dass er selber auch blutet. Aus einer Schnittverletzung läuft das Blut ganz langsam und warm an seinem Arm herunter. Er wischt es am T-Shirt ab. Immer wieder schaut er auf das Bild zurück. Hat sie sich bewegt? Lag das Bein gerade nicht anders?
    Endlich hört er ein Geräusch. Ein Auto nähert sich, bremst ab. Dann geht es schnell. Ein älteres Ehepaar steigt aus. Der Mann hat schon das Telefon am Ohr. Torsten Schreiber sackt in sich zusammen. Er kann nicht mehr. Er kann das Bild nicht vergessen.
    Â»Jetzt komm doch. Wir fahren. Wir lassen uns doch nicht auf der Nase rumtanzen.« Uwe Brandt ist richtig wütend.
    Seine Frau nickt. »Komm, Niklas. Musst du noch mal auf Toilette?«
    Der antwortet darauf nicht, fragt stattdessen: »Wo ist Charlotta?«
    Â»Die kommt nicht mit. Los, steig ein«, befiehlt sein Vater.
    Claudine Brandt guckt alle zehn Minuten auf die Uhr. Sie schickt eine SMS : Verdammt, wo bist du? Melde dich!
    Keine Antwort.
    Als sie ihre Freundin Susanne, Charlottas Patentante, zur Begrüßung in den Arm nimmt, würde sie am liebsten gar nicht mehr loslassen.
    Â»Nanu? Was ist los? Wo ist denn meine Patentochter?«, fragt diese erstaunt.
    Â»Die hat sich heute Morgen mit dem Rad aus dem Staub gemacht und war nicht pünktlich wieder zu Hause«, erklärt Uwe Brandt.
    Â»Und da seid ihr einfach ohne sie gefahren?«
    Â»Charlotta haben wir jeden Tag. Dich sehen wir so selten«, antwortet er.
    Skeptisch schaut Susanne Metzger ihre Freundin an. »Und du wirst jetzt den ganzen Nachmittag hier auf heißen Kohlen sitzen, andauernd aufs Telefon starren, in Gedanken ganz woanders sein! Das kann ja heiter werden«, sagt Susanne und schiebt die drei ins Haus.
    Sie versuchen es: über Susannes neue Anstellung in einer Bank zu reden, über Uwes Beförderung, die anstehende Landtagswahl. Aber nach wenigen Minuten landen sie wieder bei Charlotta.
    Â»Vielleicht ist sie heute Morgen auf eine kleine Radtour gegangen, um damit gegen das Internat zu protestieren«, sagt Susanne irgendwann vorsichtig.
    Â»Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wir hätten für sie zusätzlichen Sprachunterricht vor Ort gesucht und sie nicht gleich von der Schule genommen. Wir hätten sie auch sicherlich überreden können, wieder zu

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