Boeser Traum
ihn an. Ihr Mann ist wirklich ein Leckermaul.
»Du hast recht. Ich backe den Kuchen und nachher können wir vielleicht noch eine Runde durch den Park bummeln.«
»Schön«, lügt Bernd. Er hasst es, durch die vollgekackte Parkanlage zu schlendern. Das spieÃigste Sonntagnachmittagsprogramm, das er kennt. Corinna will dann auch immer noch Händchen halten. Wie ein Teenager. Er verdrängt den Gedanken. Erst mal hat er ja Besseres vor.
Der falsche Zeitpunkt
A ls Uwe Brandt über das graue Linoleum geht, um am Kaffee-Automaten zwei Kaffee zu ziehen, achtet er nicht auf den leicht angespeckten Mann, der ihm entgegenkommt. Er weià ja nicht, dass dieser gleich behaupten wird, seine Tochter gestern Vormittag gesehen zu haben. Und erst recht ahnt er nicht, dass dieser Mann lügt. Klaus Peters verspricht sich viel von der Zeugenaussage. Er hat gleich zwei Beamte der Sonderkommission abgestellt, um Bernd Plag zu verhören. Dieser hätte nicht gedacht, dass er so wichtig sein wird, und vor allem nicht, dass das Aufnehmen seiner Aussage wirklich so lange dauern wird. Den anschlieÃenden Kurzbesuch bei Sabine kann er sich schnell abschminken. Ganz genau muss er schildern, wo er her gelaufen ist. Er schlieÃt die Augen und erinnert sich an die schon länger zurückliegende Zeit, als er wirklich die ganze Runde absolviert hat und sich nicht nach fünfzehn Minuten von Sabine hat abholen lassen. Er erzählt, dass er erst an der StraÃe entlangläuft, dann hinter den Tennisplätzen in den Wald, am Denkmal vorbei, wieder runter, an der Wiese vorbei, zurück Richtung StraÃe. Das Lügen fällt ihm noch nicht schwer. Das wird es, als das Mädchen ins Spiel kommt. Wo er sie gesehen habe, was sie angehabt habe, war sie allein? In welche Richtung ist sie gegangen? Hat sie sich beeilt? Wirkte sie ängstlich? Und was war das genau für ein Auto?
Bernd Plag windet sich. Er räumt immer wieder ein, dass er sie nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen habe. Und das Auto sei ein dunkler Kombi gewesen. Schwarz wahrscheinlich. Vielleicht aber auch dunkelblau. Sie sei zumindest in die Richtung des Autos gegangen. Ob sie dann wirklich eingestiegen sei, wisse er nicht. Wann das gewesen sei? Es müsse ziemlich genau Viertel nach zwölf gewesen sei. Da ist er sich sicher, weil er meist gegen zwanzig nach zwölf wieder zu Hause ist. Dann kann er nämlich kurz duschen und dann gibt es Mittagessen.
Viertel nach zwölf. Die Uhrzeit ist die einzig konkrete Angabe, die der Zeuge machen kann. Der einzige Punkt, worin er sich wirklich sicher ist. Die Beamten legen die Stifte weg, entlassen den Zeugen mit der Aufforderung, sich zu melden, falls ihm doch noch was einfällt. Sie glauben selber nicht dran. Bernd fährt genervt nach Hause, wo ein schwerer Käsekuchen und eine schwere Corinna auf ihn warten. Er ahnt nicht, dass er gerade den Ermittlern eine Falle gestellt und damit eine schwerwiegende Schlussfolgerung zugelassen hat. Wenn Charlotta um Viertel nach zwölf in der Nähe der Tennisplätze war und Emilia um kurz nach zwölf den Unfall hatte, ist es extrem unwahrscheinlich, dass beide Vorfälle im Zusammenhang stehen. Die Aufenthaltsorte der Mädchen liegen so weit auseinander, dass keiner eine Verbindung sehen kann. Vielleicht wären die Eltern ja doch noch daraufgekommen, wenn sie nicht alle so sehr mit dem Schicksal des eigenen Kindes beschäftigt gewesen wären.
Noch eine fatale Lüge
C harlotta krallt sich die Fingernägel in die Oberarme, dahin, wo das Fleisch sehr weich ist. Wo es wehtut. Sie glaubt, es nicht länger aushalten zu können. Warum kommt Emilia nicht? Sie löst die Spannung in den Händen, sieht die Abdrücke der Nägel. An zwei Stellen am rechten Arm blutet es leicht. Sie lacht trocken. Sie könnte damit eindrucksvoll unterstreichen, wie gemein die Entführer zu ihr waren. Ein Gedanke, der schon vor Stunden in ihr geschlüpft ist, hat sich den Weg in das Bewusstsein geschlängelt. Lässt Emilia sie hier absichtlich schmoren? Will sie sie bestrafen? Ihr klarmachen, dass sie von ihr abhängig ist? Charlotta presst die Lippen aufeinander. Hat es mit Mats zu tun? Wann immer der in letzter Zeit aufgetauchte, war Emilia ganz komisch geworden. Charlotta konnte sehen, wie die Freundin dann die Zähne aufeinanderbiss, wie sie die Muskeln anspannte. Als müsste sie zum Sprung bereit sein. Egal, was Mats gesagt
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