Boeser Traum
jetzt ganz leise »Sch-sch-sch«. Als wollte er ein Baby in den Schlaf bringen. Sie fühlt sich einen Hauch besser. Ganz langsam gleitet sie in die andere Welt. In die ohne Erinnerung, ohne Schmerzen. Ihr Gesicht entspannt sich. Julius guckt sie unverwandt an. Was stimmt mit diesem Mädchen nicht? Was quält sie so?
Die Angst beiÃt zu
C laudine sitzt gekrümmt auf dem Beifahrersitz. Uwe umklammert das Lenkrad, hat den Blick starr auf das Polizeiauto vor sich geheftet.
»Wenn ich mir vorstelle«, hört er seine Frau sagen.
Mit aller Wucht schlägt er auf das Lenkrad. »Dann stell es dir nicht vor. Stell dir gar nichts vor, ja? Wir werden Charlotta finden, es wird ihr nichts â NICHTS â passiert sein.«
Seine Stimme überschlägt sich, wird von allen Seiten zurückgeworfen, füllt den ganzen Wagen aus.
»Ich will es ja nicht«, schluchzt Claudine und drückt mit den Handballen auf die Augen. Sie sieht nicht, dass ihr Mann Tränen in den Augen hat. Er schluckt und schluckt. Kneift die Augen zusammen, schickt die Tränen zurück. Jetzt keine Gefühle. Bloà nicht. Er muss ruhig bleiben. Darf keinen der Gedanken denken, die sich aufdrängen wollen, wie Ameisen durch seinen Kopf laufen.
»Wir brauchen jetzt eine detaillierte Beschreibung Ihrer Tochter. Wir müssen genau wissen, was sie getragen hat, als sie gestern das Haus verlassen hat, auch besondere Kennzeichen wie Narben oder Tätowierungen. Ich möchte, dass Sie gleich eine Liste mit allen wichtigen Bezugspersonen machen. Freundinnen, Freunde, alles. Wir setzen uns mit dem Internet-Provider in Verbindung, damit wir die Mails von Charlotta lesen können. Vielleicht finden wir da einen Hinweis. Und dann müssen wir die Frage klären, ob es für Charlotta einen Grund gegeben haben könnte, freiwillig zu gehen. Wenn es Konflikte zwischen Ihnen und Ihrer Tochter gegeben hat, wäre es gut, wenn Sie das nun sagen.« Klaus Peters macht eine Pause, lehnt sich etwas weiter nach vorne. »Auch wenn es Konflikte zwischen Ihnen beiden â¦Â« â er sieht von Uwe Peters zu Claudine Peters â gegeben hat. Gerade Mädchen in der Pubertät kommen damit oft nicht zurecht und reagieren über.«
Uwe Brandt räuspert sich. »Um es vorwegzunehmen. Ja, es gibt Streit bei uns im Haus. Meine Frau und ich streiten darüber, ob Licht in Zimmern brennen muss, in denen keiner ist. Wir streiten uns darüber, ob man Altpapier im Kamin verbrennen darf oder nicht. Wir streiten uns mit Charlotta darüber, ob sie etwas essen muss, ehe sie in die Schule geht, und ob es nötig ist, mehrere Stunden am Tag mit Leuten zu chatten, die sie den ganzen Vormittag gesehen hat. Manchmal wird es dann bei uns auch laut. Aber Streitigkeiten in anderen Dimensionen kommen bei uns nicht vor.«
Klaus Peters nickt. Er weiÃ, dass manchmal die Punkte wichtig sind, über die nicht gestritten wird. Ãber die noch nicht mal gesprochen wird. Er lässt das Thema ruhen. Vorerst. »Wir kümmern uns jetzt um die genaue Beschreibung. Dann haben die Kollegen drauÃen konkrete Anhaltspunkte und wir geben eine Vermisstenmeldung an die Presse.«
Schon in den Nachrichten um zehn Uhr wird die Meldung verlesen: »Seit Samstag Vormittag wird ein fünfzehnjähriges Mädchen vermisst. Bekleidet ist sie mit einer Jeans und einem grün-pink gestreiften T-Shirt. Sie hat lange blonde Haare, ist ca. 1,75 Meter groà und schlank. Ihr Rad wurde in einem Feld hinter den Tennisplätzen in der Nähe der B 9 gefunden. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeistation entgegen â¦Â«
Das perfekte Alibi
C orinna guckt das Radio an. Sie spült gerade die Weingläser vom Vorabend. Das Feld hinter den Tennisplätzen? Sie dreht sich zu Bernd um, der in einer Sonntagszeitung liest. Das heiÃt. Er tut nur so. Eigentlich überlegt er, unter welchem Vorwand er die Wohnung verlassen kann.
»Hast du das gehört? Da wird ein Mädchen vermisst. Ihr Rad wurde hinter den Tennisplätzen gefunden.«
Müde schaut er seine Frau an. Er fragt sich, seit wann sie eigentlich so eine faltige Haut am Hals hat. Und warum redet sie jetzt von einem vermissten Mädchen?
»Bernd! Bist du schon wach? Hinter den Tennisplätzen. Da, wo du immer joggst. Vielleicht hast du dieses Mädchen ja gesehen. GroÃ, blond, schlank. Die müsste dir doch eigentlich aufgefallen sein.«
Er spürt
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