Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Poststempel genauer und frohlockte innerlich. Die Postkarte war in Langenselbold abgestempelt, außerdem war auf dem Foto ein Teil des Autokennzeichens zu sehen.
Eine Viertelstunde später verließen sie das Haus, vor dem sich mittlerweile ein Menschenauflauf gebildet hatte. Cem gab die Postfachadresse telefonisch an Kai Ostermann weiter, obwohl die Aussicht, am Wochenende etwas über die Post in Erfahrung zu bringen, eher gering war.
»Pure Zeitverschwendung, die ganze Aktion«, murrte Kröger auf dem Weg zum Auto. »Was für eine Katastrophe!«
»Nicht ganz«, Pia reichte ihm die Fotopostkarte, die sie in einen Asservatenbeutel gesteckt hatte. »Vielleicht kannst du ja was damit anfangen.«
»Bist echt ein cleveres Mädchen.« Christian Kröger betrachtete das Foto. »Wenn das nicht der schwarze Hummer ist, der vor Hanna Herzmanns Haus gestanden hat.«
Sonntag, 27. Juni 2010
Die Straße lag im schummerigen Licht von zwei Straßenlaternen wie ausgestorben da. Um zehn vor vier morgens war auch im Gasthaus Rudolph nichts mehr los, alle Fenster waren dunkel. Bernd hatte ihr eingeschärft, nach fremden Autos Ausschau zu halten, bevor sie ausstieg und das Tor öffnete. Er hatte ihr sogar angeboten, sie nach Hause zu fahren, aber sie hatte abgelehnt. Sie fuhr die Straße im Schritttempo entlang, bog links in den Haingraben ein und kam beim Rudolph wieder auf die Alt Niederhofheimer. Nichts Auffälliges. Die Autos der Nachbarn kannte sie; auch alle anderen, die sie gesehen hatte, hatten MTK -Kennzeichen. Wenn das so weiterging, würde sie irgendwann Verfolgungswahn kriegen. Leonie stoppte vor ihrem Hoftor, stieg aus und schloss das kleine Törchen auf. Der Bewegungsmelder reagierte, der Strahler über der Haustür flammte auf und tauchte den Hof in strahlend helles Licht. Sie schob die Riegel zur Seite und öffnete das große Tor. Eigentlich war sie nicht besonders ängstlich, sie lebte seit vielen Jahren alleine, trotzdem hatte sie seit ein paar Tagen ein seltsam flaues Gefühl, wenn es dunkel wurde. Ihre Gefühle trogen sie nur selten. Hätte sie doch bloß auf ihren Instinkt gehört und Hanna Herzmann aus der ganzen Sache herausgehalten, dann hätten sie jetzt nicht diese Probleme! Ihr Groll auf diese überhebliche, geltungssüchtige Person war ins Unermessliche gewachsen. Wegen ihr hatten sie eben richtig gestritten!
Leonie fuhr das Auto in den Hof, schloss das Tor und legte gewissenhaft die Riegel wieder vor. Im Haus ging sie in die Küche und holte eine Flasche Cola light aus dem Kühlschrank. Die Zunge klebte am Gaumen, sie war so durstig, dass sie die Halbliterflasche in einem Zug austrank. Mit einer Hand tippte sie wie verabredet eine SMS . Alles gut – bin zu Hause angekommen .
Sie streifte die Schuhe von den Füßen und ging zur Toilette, die eigentlich ihren Patientinnen vorbehalten war. Die elenden Blähungen quälten sie schon den ganzen Tag, aber woanders konnte sie einfach nicht. Nachdem sie sich erleichtert hatte, kippte sie das Fenster in der Toilette und ging hinaus. Im Vorbeigehen drückte sie auf den Lichtschalter und erschrak fast zu Tode. Direkt vor ihr standen zwei maskierte Gestalten, dunkle Baseballkappen tief ins Gesicht gezogen.
»W… was machen Sie hier?« Leonie versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen, obwohl ihr das Herz vor Angst bis zum Hals schlug. »Wie sind Sie hier reingekommen?«
Verdammt! Das Handy lag auf dem Küchentisch. Sie ging langsam rückwärts. Vielleicht konnte sie die Treppe hochrennen, sich im Schlafzimmer einschließen und aus dem Fenster um Hilfe rufen. Steckte überhaupt ein Schlüssel in der Tür? Noch ein Schritt nach hinten. Anderthalb Meter bis zur Treppe. Nicht hinschauen, dachte sie, einfach losrennen und auf den Überraschungseffekt hoffen. Mit einem Spurt konnte sie es schaffen. Sie spannte die Muskeln und rannte los, aber der Größere der beiden Männer reagierte blitzschnell. Er packte ihren Arm, der heftige Ruck riss sie unsanft zurück. Eine Hand griff ihr ins Genick und stieß ihren Kopf so heftig gegen die Wand, dass sie benommen in die Knie ging. Zuerst sah sie Sternchen, dann alles doppelt. Eine warme Flüssigkeit rann über ihre Wange und tropfte von ihrem Kinn auf den Boden. Sie dachte an Hanna, an das, was ihr widerfahren war. Würden die sie jetzt auch zusammenschlagen und vergewaltigen? Leonie zitterte am ganzen Leib, die Angst verwandelte sich in nackte Panik, als sie ein reißendes Geräusch hörte. Im nächsten Moment wurde sie
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