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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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verschwunden; weder hatte jemand das Postfach geleert, noch hatte einer der Kontakte zum Frankfurter Milieu irgendwelche konkreten Informationen, aber das wunderte Bodenstein nicht. Alles, was er erfahren hatte, war, dass Prinzler mit dem Frankfurter Charter der Road Kings angeblich seit Jahren nichts mehr zu tun hatte.
    Erste schwere Regentropfen klatschten auf den Sonnenschirm.
    Die Tischnachbarn flüchteten in den Gastraum, auch Bodenstein ergriff sein Glas und den Bierdeckel und folgte ihnen. Er blieb an der geöffneten Tür stehen und blickte hinaus in den Regen, der wie eine graue Wand über den Main heranrauschte und einen Schwall feuchtkühler Luft vor sich hertrieb.
    »Ey, es zieht! Mach doch ma die Tür zu!«, rief einer der Stammgäste. Keiner der Kellner fühlte sich angesprochen, deshalb zog Bodenstein die Fenstertür zu. Er war sich der misstrauisch-neugierigen Blicke der Stammgäste durchaus bewusst, tat aber so, als bemerke er sie nicht. Beim Fußballspiel fiel ein Tor, die Männer am Tresen grölten lautstark und überschrien sich gegenseitig mit ihren Kommentaren. Der lauteste Schreihals, ein rotgesichtiger Dickwanst in einem schwarzen Unterhemd, bezahlte sein wichtigtuerisches Gebrüll mit einem heftigen Hustenanfall. Er rutschte von seinem Barhocker, stolperte durch den Gastraum und riss die Tür, die Bodenstein gerade geschlossen hatte, wieder auf. Hustend taumelte er hinaus ins Freie und lehnte sich schwer atmend gegen die Hausmauer unter den Dachvorsprung.
    »Soll ich einen Krankenwagen rufen?« Bodenstein war ihm gefolgt, sonst niemand. Die Besorgnis der Thekenbrüder schien sich in Grenzen zu halten.
    »Naa … des geht gleisch wiedä«, schnaufte der Dicke und winkte ab. »Is des Scheißasthma. Isch derf misch net uffreesche, Fußball is eischentlisch Gift für misch …«
    Er schnaubte und hustete und spie einen ekelhaften gelben Brocken in den überquellenden Aschenbecher, der neben der Tür stand.
    »’schuldigung«, sagte er. So viel Anstand besaß er wenigstens.
    »Wenn’s guttut«, erwiderte Bodenstein lakonisch.
    »Isch hab verzisch Jahr bei der Ticona Schicht geschafft. Des habbisch nu davon. Gesundheit ruiniert. Die Lung.«
    »Aha.« Bodenstein vermutete, dass hunderttausend gerauchte Zigaretten für den Zustand seiner Lunge verantwortlich waren, weniger die Schichtarbeit. Aber Menschen neigten dazu, die Schuld woanders als bei sich selbst zu suchen.
    »Saache Se mal …« Der Dicke hatte sich erholt und bekam wieder Luft. Er musterte Bodenstein. »Sin Se net von der Polizei?«
    »Ja. Das bin ich. Wieso?«
    »Isch hab geheert, dass Se den Doc suche. Gibt’s da was, wenn isch Ihne was übber den saach?« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, in seinen Augen funkelte bauernschlaue Gier.
    »Für sachdienliche Hinweise ist eine Belohnung ausgesetzt worden«, bestätigte Bodenstein. Einer der Kellner steckte seinen Kopf durch die geöffnete Schiebetür.
    »Alles klar bei dir, Kalleinz?«, fragte er. »Der Chef sacht, du sollst net abkratze, bevor de net dein Deckel bezahlt hast.«
    »Der kann sisch sein Deckel sonstwohie schiebe. Bring mir lieber noch ’n Pils raus.« Karl-Heinz stieß sich mit einem Ächzen von der Hausmauer ab und senkte die Stimme zu einem konspirativen Flüstern. »Isch waaß net, ob’s sachdienlisch is. Mer wohne direkt geeschenübber vom Doc. Un mer sin ja mehr oder weenischer de ganze Taach dahaam, mei Fraa un isch.«
    Er machte eine Pause, um seine Ankündigung wirken zu lassen und die Spannung zu erhöhen. Bodenstein wartete geduldig. Aus langer Erfahrung wusste er, dass das unbezähmbare Mitteilungsbedürfnis von Leuten wie dem dicken Karl-Heinz kein langes Schweigen vertrug. Und so war es auch.
    »Neulisch, so vor drei, vier Woche«, fuhr er fort, »da hadde der Doc mal wieder Besuch. Un damit maan isch net die, die weesche ’ner Beratung komme. Nee, des war so ’n ganz jung Ding. Blond. Hübsch. Halb nackisch. Mei Fraa maant, die wär höchstens ma fuffzeh Jahr alt gewese. Un wisse Se was …?«
    Kurze Pause.
    »Die is middem in de Waache gestieje. Mer habbe se net mer nauskomme sehe. Und ’n paar Taache später habbe se doch des Mädsche aus’m Maa gefischt. Isch schwör Ihne, des war die Klaa. Hunnertprozentisch …«
    *
    Die Scheibenwischer jagten hektisch über die Windschutzscheibe, um der Sintflut, die vom Himmel rauschte, Herr zu werden. Meike fuhr auf der Suche nach einer Parkmöglichkeit im Schritttempo die Straße entlang, in der

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