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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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hat Rothemund erkannt: Er ist heute Morgen um 10:44 in den ICE nach Amsterdam gestiegen! Ich habe mit den holländischen Kollegen gesprochen, sie erwarten ihn schon, wenn der Zug um 17:22 einfährt. Mit etwas Glück haben wir ihn in ein paar Stunden.«
    *
    Meike hatte alle Fenster der Wohnung geöffnet, um wenigstens etwas Durchzug zu machen, dennoch schwitzte sie, obwohl sie nur einen Slip und einen BH trug. Im Büro war niemandem aufgefallen, dass sie Hannas Rechner mitgenommen hatte, nicht mal die superschlaue blonde Bullentussi hatte daran gedacht! Seit heute Morgen hatte sie jede Menge Zeit, denn sie hatte keinen Job mehr. Irina und Jan würden in der Firma die Stellung halten, alle anderen mussten ihren Jahresurlaub nehmen, bis klar war, ob Hanna jemals wieder in der Lage sein würde, vor eine Fernsehkamera zu treten. Antenne Pro war fair – immerhin besetzten sie ihren Sendeplatz nicht sofort neu, sondern würden Wiederholungen von Auf Herz und Nieren ausstrahlen.
    Der Tag gestern war einer der schönsten in Meikes Lebens gewesen: Frühstück in der herrlichen Villa in Oberursel, Mittagessen auf Burg Schwarzenstein im Rheingau, die Fahrt im offenen Aston Martin, abends Champagner auf der Terrasse des Frankfurter Hofs mit Blick auf die beleuchteten Bankentürme – so etwas hatte Meike noch nie erlebt. Sie hatte die neugierigen Blicke der Leute bemerkt und sich überlegt, ob man sie und Wolfgang vielleicht für ein Paar hielt. Ein Altersunterschied von mehr als zwanzig Jahren war nichts Ungewöhnliches, viele Frauen waren mit sehr viel älteren Männern zusammen. Wolfgang war ihr Patenonkel, sie kannte ihn, seitdem sie denken konnte, und hatte ihn nie als Mann wahrgenommen. Bis heute. Plötzlich hatte sie festgestellt, was für schöne Hände er hatte und wie gut er roch. Sie hatte sich zwingen müssen, nicht dauernd auf seinen Mund und seine Hände zu starren, aber der Gedanke, wie es wohl sein mochte, ihn zu küssen und mit ihm zu schlafen, hatte sich – einmal gedacht – nicht mehr vertreiben lassen. Sie war noch nie richtig verliebt gewesen, einen festen Freund hatte sie schon gar nicht gehabt und auf ihre wenigen Erlebnisse mit dem anderen Geschlecht konnte sie nicht gerade stolz sein. Gestern hatte sie eine Ahnung davon bekommen, wie schön es war, zu jemandem zu gehören. Wolfgang war so aufmerksam und charmant: Er hatte ihr die Autotür aufgehalten, den Stuhl zurechtgerückt, ihr zugehört, seinen Arm um ihre Schulter gelegt.
    Die halbe Nacht hatte sie wachgelegen und jedes Wort analysiert, das Wolfgang zu ihr gesagt hatte. Er hatte ihr ein Volontariat bei Antenne Pro in Aussicht gestellt, obwohl sie ihr Studium noch gar nicht abgeschlossen hatte, aber er war der Meinung, sie sei die ideale Besetzung, denn sie habe ja bereits jede Menge Erfahrung mit der Arbeit bei einem Fernsehsender. Warum hatte er das gemacht? Weil sie Hannas Tochter war? Wenn sie es genau bedachte, so hatte er nichts gesagt oder getan, was sie als Verliebtheit hätte deuten können. Er war einfach nur nett zu ihr gewesen. Das euphorische Glücksgefühl, in dem sie den ganzen Tag geschwelgt hatte, hatte sich in Enttäuschung verwandelt. Kaum war mal ein Mann nett zu ihr, begannen ihre Hormone verrückt zu spielen. Was für ein Armutszeugnis!
    »Autsch!« Meike knallte mit dem Kopf unsanft gegen die Tischplatte, unter der sie den Kabelsalat entwirrt und die richtigen Stecker in die richtigen Buchsen an der Rückseite von Hannas Rechner gefummelt hatte. Glücklicherweise hatte die Freundin, deren Wohnung sie hütete, ihren Computer samt Monitor, Maus und Tastatur auf ihrem Schreibtisch stehen lassen. Meike rieb sich die schmerzende Stelle am Kopf und ließ Hannas Computer hochfahren. Er funktionierte. Sie klickte ins Menü und konfigurierte das WLAN in der Systemeinstellung. Wenig später war sie online. Zuerst checkte sie die Facebook-Fanseite ihrer Mutter, die von Irina gepflegt und mit Inhalten versorgt wurde. Kein Wort von Überfall und Krankenhaus. Ganz sicher würde Irina jedes Posting löschen, was darauf hinweisen könnte. Auch bei Google fand sich kein Eintrag, die letzten Neuigkeiten bezogen sich auf die Sendung mit den verarschten Kandidaten und das Sommer-Special. Als Nächstes waren die E-Mails an der Reihe. Über hundert neue Mails warteten im Posteingang des Geschäftsaccounts, an die Privatadresse waren vierzehn gegangen. Ein Name sprang Meike sofort ins Auge, sie stutzte. Kilian Rothemund! Was hatte ihre Mutter mit

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