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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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hielt.
    »Nein«, flüsterte Meike. Ihr Blick war leer, ihre Miene verzweifelt. »Ich … ich … Sie verstehen das nicht …«
    »Nein, das tue ich tatsächlich nicht«, erwiderte Bodenstein frostig.
    »Sie kennen meine Mutter nicht!« Plötzlich liefen Tränen. »Sie wird fuchsteufelswild, wenn man ihr in ihre Recherchen reinpfuscht. Deshalb bin ich ja auch zu dieser Adresse gefahren. Ich … ich dachte, ich finde etwas raus und kann Ihnen das dann sagen …«
    »Sie haben was getan?« Pia glaubte, sich verhört zu haben.
    »Das ist so ein alter Bauernhof mit einem Schrottplatz und einem hohen Zaun drumrum.« Meike Herzmann schluchzte. »Ich bin auf einen Hochsitz geklettert und wollte nur mal schauen, was das ist. Aber diese Rocker haben mich gesehen und mir einen Kampfhund auf den Hals gehetzt. Ich … ich hatte Glück, dass da so ein Förster oder so war, der hat ihn … erschossen, und ich konnte verschwinden.«
    Es geschah selten, dass Pia sprachlos war, aber jetzt war sie’s.
    »Sie haben wichtige Informationen zurückgehalten«, sagte Bodenstein. »Wahrscheinlich musste deswegen ein Mensch sterben. Was ist mit dem Computer Ihrer Mutter, aus dem Sie die E-Mail haben? Wo ist der?«
    »Bei mir zu Hause«, sagte Meike Herzmann nach kurzem Zögern.
    »Gut. Dann fahren wir jetzt zu Ihnen und holen ihn.« Bodenstein schlug leicht mit den Handflächen auf die Tischplatte und stand auf. »Ihr Verhalten wird Konsequenzen für Sie haben, Frau Herzmann, das kann ich Ihnen versprechen.«
    *
    Gegenüber Corinna fühlte Emma sich immer unzulänglich und irgendwie mickrig. Sie saß an dem großen Tisch im Esszimmer, nassgeschwitzt und unförmig, wie ein Wal auf dem Trockenen, während Corinna in der offenen Hightech-Edelstahlküche für ihre vier Söhne kochte, die zu den verschiedensten Uhrzeiten aus der Schule kamen. Corinna war seit sechs Uhr auf den Beinen, hatte einen Vormittag im Büro hinter sich, nebenbei kümmerte sie sich um ihre Familie und ihren Haushalt, und Emma fühlte sich schon mit einem Kind überfordert. Dabei hatte sie früher in ihrem Job die unmöglichsten Dinge möglich gemacht, geplant, organisiert, improvisiert, und das oftmals unter schwierigsten und primitivsten Bedingungen. Sie war mit neunzehn zu Hause ausgezogen und hatte ihr Leben immer ohne Probleme allein auf die Reihe bekommen.
    Was hatte sich verändert? Wann hatte sie begonnen, sich nichts mehr zuzutrauen? Früher hatte sie dafür gesorgt, dass tonnenweise Lebensmittel und medizinisches Equipment in die entlegensten Winkel der Welt gelangten, und heute bedeutete bereits ein Einkauf im Supermarkt eine Herausforderung.
    Es duftete nach Tomaten und Basilikum, nach Knoblauch und angebratenem Fleisch, und Emmas Magen zog sich vor Hunger schmerzhaft zusammen. Nebenbei räumte Corinna die Spülmaschine aus und erzählte dabei von den letzten Vorbereitungen für das große Fest am Freitag.
    »Ich bin gleich fertig«, sagte Corinna und lächelte. »Du hast doch sicher ein paar Minuten, oder?«
    Ich hab den ganzen Tag, dachte Emma, sagte es aber nicht laut, sondern begnügte sich mit einem Nicken. Stumm lauschte sie den Alltagsanekdötchen, die Corinna von ihrem Mann und ihren Söhnen erzählte, und verspürte plötzlich Neid. Wie gerne hätte auch sie ein Haus gehabt, einen Mann, der abends spontan Sushi mitbrachte, den Garten wässerte, mit seinen Söhnen alle möglichen Unternehmungen machte und jeden Abend bei einem Gläschen Wein mit seiner Frau den Tag Revue passieren ließ! Wie sah ihr Leben dagegen aus? Sie hatte als einziges Zuhause eine Wohnung mit fremden Möbeln im Haus ihrer Schwiegereltern und dazu einen Mann, der ihr kaum etwas von sich erzählte und sie kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes sitzengelassen hatte. Und an ihren fürchterlichen Verdacht, was er wohl mit Louisa getan hatte, wollte sie gar nicht erst denken. Nach und nach hatte sich bei ihr das Gefühl eingestellt, Florian für immer verloren zu haben, und es hatte sich in den letzten Tagen in Gewissheit verwandelt. Das, was geschehen war, konnte man nicht mehr rückgängig machen.
    »So.« Corinna setzte sich zu Emma an den Tisch. »Worüber wolltest du mit mir reden?«
    Emma nahm allen Mut zusammen.
    »Florian hat mir nie erzählt, dass er eine Zwillingsschwester hat. Niemand spricht über sie.«
    Das Lächeln erlosch in Corinnas Gesicht. Sie stützte die Ellbogen auf die Tischplatte, faltete die Hände und legte sie gegen Mund und Nase. Emma befürchtete

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