Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Genick.«
»Dann setz dich halt woanders hin.«
»Ich sitze immer hier!«
»Zehn Minuten Frischluft werden dich schon nicht gleich umbringen. Ich war die ganze Nacht auf den Beinen und brauche etwas Sauerstoff«, sagte Kröger.
»Tu nicht so, als wärst du der Einzige, der hier arbeitet«, fauchte Kathrin, sprang auf und wollte das Fenster schließen, aber Christian hielt es am Griff fest.
»Schluss jetzt! Das Fenster bleibt auf. Jetzt reißt euch mal zusammen«, mahnte Bodenstein. »Setzen Sie sich halt für zehn Minuten woanders hin, Kathrin.«
Kathrin schnaubte verärgert, packte ihre Tasche und wechselte den Platz. Pia trank bereits den dritten Kaffee an diesem Morgen und kämpfte trotzdem gegen einen Gähnanfall nach dem nächsten. Sie blickte in die Runde und sah in lauter müde Gesichter und rotgeränderte Augen. Der neue Fall brachte einen ganzen Haufen neue Arbeit mit sich. Ohnehin arbeiteten sie alle seit fast drei Wochen ohne Wochenende und Feierabend, allmählich ging es jedem von ihnen an die Substanz. Vor allen Dingen deshalb, weil es keine greifbaren Ergebnisse gab, die sie irgendwie weiterbrachten. Es war ein einziges Herumgestochere im Nebel, und langsam, aber sicher verlor nicht nur Pia die Geduld. Die Nacht war wieder sehr kurz gewesen, um zehn vor drei war sie nach Hause gekommen und hatte dann noch eine Stunde gebraucht, um runterzukommen und einzuschlafen.
Nachdem Kai die Eckdaten der Toten aufgezählt hatte, war Kröger an der Reihe. Die Fingerabdrücke, die man am Türrahmen und an dem Stuhl festgestellt hatte, gehörten Bernd Prinzler, und die Spezialisten vom Landeskriminalamt hatten leider vergeblich versucht herauszufinden, wohin und seit wann die Kamera im Therapieraum übertragen hatte. Außerdem war es ihnen bisher nicht gelungen, den Laptop von Leonie Verges zu knacken, ohne Passwort war das sowieso so gut wie aussichtslos. Die grausigen Ansagen auf dem Band des Anrufbeantworters waren von einem Anschluss mit unterdrückter Anrufkennung gekommen, also war auch das eine Sackgasse.
Kröger und seine Leute waren im Haus auf Schränke voller Patientenakten gestoßen, ein Ding der Unmöglichkeit, sie alle zu überprüfen. Ohnehin war es fraglich, ob der Täter tatsächlich in der Patientenkartei der Psychotherapeutin zu suchen war. Laut der Webseite des Zentrums für Psychotraumatologie hatte Leonie Verges keine Männer, sondern ausschließlich traumatisierte Frauen behandelt.
»Es kann doch sein, dass ein Ehemann oder Expartner einen solchen Hass auf sie hatte, dass er sie umbringen wollte«, vermutete Kathrin.
»Wir haben Fingerabdrücke von Prinzler an Türrahmen und Stuhl gefunden«, sagte Pia. »Aber wie ist er ins Haus gekommen?«
»Er hatte einen Schlüssel mitgenommen, als er sie auf den Stuhl gefesselt und die Kamera installiert hat«, schlug Cem vor.
»Warum ist er denn überhaupt noch mal hingegangen?«, dachte Pia laut und blickte auf die Tafel, auf die sie den Namen »Leonie Verges« geschrieben hatte. Pfeile führten zu Hanna und Meike Herzmann, zu Prinzler und Rothemund. Sie hatte das sichere Gefühl, dass die Attacke auf Hanna Herzmann und der Mord an Leonie Verges zusammenhingen, eventuell sogar vom gleichen Täter begangen worden waren. Gestern Abend hatte sie nicht darüber nachgedacht, aber heute Morgen, beim Aufwachen, hatte sie sich gefragt, wer eigentlich gestern Polizei und Notarzt alarmiert hatte. Meike Herzmann war es nicht gewesen. Sie hatte sich vorhin die Aufzeichnung des Anrufs von der Notrufzentrale geben lassen. Ein Mann hatte um 22:12 angerufen, ohne seinen Namen zu nennen. »In Liederbach, Alt Niederhofheim 22, liegt eine Tote im Haus. Das Hoftor und die Haustür sind auf.«
»Das Auto von Prinzler wurde mehrfach von den Nachbarn gesehen«, sagte Pia nachdenklich. »Hat er die Lage ausspioniert oder kannte er Leonie Verges?«
»Wenn ich etwas ausspionieren wollte, dann würde ich nicht mit so einer auffälligen Kutsche herumfahren«, erwiderte Kai. »Übrigens ist die Infrarot-Funk-Kamera ein Massenprodukt. Da gibt’s nur wenig Hoffnung herauszufinden, wo die gekauft wurde.«
Bodenstein, der bisher schweigend dagesessen und zugehört hatte, räusperte sich.
»Mich würde vor allen Dingen interessieren, was Kilian Rothemund mit Leonie Verges zu tun hatte«, sagte er. »Er war zusammen mit Prinzler bei Hanna Herzmann. Ich denke, wir müssen uns in erster Linie auf ihn konzentrieren. Er hat Hanna Herzmann vergewaltigt, er ist vorbestraft wegen
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