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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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das tote Mädchen in Höchst gesehen haben wollte, Anfang Mai, in der Emmerich-Josef-Straße. Sie war gerade mit Einkäufen bepackt nach Hause gekommen und hatte vor ihrer Haustür nach dem Schlüssel gesucht, als ein junges blondes Mädchen mit panisch aufgerissenen Augen auf sie zugelaufen kam und sie in gebrochenem Deutsch um Hilfe anflehte. Nur Sekunden später hatte ein silbernes Auto am Bordstein neben ihnen gestoppt, ein Mann und eine Frau waren ausgestiegen. Das Mädchen hatte sich im Hauseingang zusammengekauert und die Arme schützend über den Kopf gelegt – ein Bild des Jammers. Das Pärchen hatte der Zeugin erklärt, ihre Tochter sei psychisch krank und leide unter Wahnvorstellungen. Die beiden hatten sich höflich entschuldigt, dann hatten sie das Mädchen, das ihnen widerstandslos gefolgt und ins Auto eingestiegen war, mitgenommen. Auf die Frage, weshalb sie sich nicht früher bei der Polizei gemeldet hatte, hatte die Frau erwidert, sie sei Anfang Juni für drei Wochen auf einer Kreuzfahrt gewesen und habe den Vorfall beinahe schon vergessen, bis sie zufällig heute Abend das Foto des toten Mädchens aus dem Main gesehen habe. Sie war hundertprozentig sicher, dass es sich um dasselbe Mädchen handelte, das sie um Hilfe angebettelt hatte, und versprach, am nächsten Morgen für eine Aussage aufs Kommissariat zu kommen.
    »Na, das klingt doch wirklich vielversprechend«, sagte Bodenstein. »Jetzt sieh aber zu, dass du nach Hause kommst. Ich nehme morgen das Flugzeug um sieben und bin spätestens um halb neun im Büro.«
    Sie verabschiedeten sich, und Pia steckte ihr Handy ein. Es bedurfte einer ungeheuren Willensanstrengung, sich von der Treppenstufe zu erheben und zum Auto zu schleppen, das ausgerechnet auf dem allerletzten Parkplatz stand.
    »Pia! Warte mal!«, rief Christian Kröger hinter ihr. Sie blieb stehen und wandte sich um. Ihr Kollege kam mit schnellen Schritten auf sie zu, und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er ein Mensch war oder so etwas wie ein Vampir, der keinen Schlaf brauchte. Genau wie sie selbst war er seit dem Morgengrauen auf den Beinen, auch in den letzten Nächten hatte er so gut wie gar nicht geschlafen, dennoch wirkte er hellwach.
    »Hör mal, Pia, mir ist den ganzen Tag schon etwas im Kopf herumgegangen«, sagte er und ging neben ihr her über den nur spärlich beleuchteten Parkplatz zwischen den Gebäuden der Regionalen Kriminalinspektion und der Straße. »Vielleicht ist es nur ein unbedeutender Zufall, vielleicht aber auch nicht. Du erinnerst dich an das Auto, das die Nachbarn von Leonie Verges mehrfach in der Nähe ihres Hauses beobachtet haben.«
    »Der Hummer von Prinzler?«, vermutete Pia.
    »Nein, das andere Auto. Dieser silberne Kombi. Du hast dir doch das Kennzeichen notiert«, erwiderte Christian ungeduldig. »Laut Halteranfrage ist das Auto auf den Verein Sonnenkinder e. V. in Falkenstein zugelassen.«
    »Ja. Und?«
    »Staatsanwalt Markus Maria Frey sitzt im Kuratorium der Finkbeiner-Stiftung, die diesen Verein betreibt.«
    »Ich weiß.« Pia nickte und blieb an ihrem Auto stehen.
    »Wusstest du auch, dass er ein Pflegekind von Dr. Josef Finkbeiner war?« Christian blickte sie erwartungsvoll an, aber die Grenzen von Pias geistiger Aufnahmekapazität waren für den heutigen Tag mehr als erreicht. »Er hat mit einem Stipendium der Finkbeiner-Stiftung Jura studiert.«
    »Ja, und? Worauf willst du hinaus?«
    Christian Kröger gehörte zu jener Sorte Mensch, die Unmengen von unglaublichen und abstrusen Dingen wussten und diese jederzeit abrufbereit in ihrem Gehirn abgespeichert hatten. Etwas, das er einmal gehört hatte, vergaß er nie mehr. Diese Begabung war eine Bürde, unter der er bisweilen litt, denn nicht selten konnten die Menschen in seiner Umgebung seinen Gedankengängen nur schwer folgen.
    »Leute wie Frey engagieren sich doch häufig sozial.« Pia renkte sich beim Gähnen beinahe den Kiefer aus, ihre Augen tränten vor Müdigkeit. »Und dass er das bei der Stiftung seines eigenen Pflegevaters tut, der er aus mehreren Gründen eng verbunden ist, ist doch naheliegend, oder?«
    »Ja, du hast recht.« Christian runzelte die Stirn. »Es war auch nur so ein Gedanke.«
    »Ich bin todmüde«, sagte Pia. »Lass uns morgen noch mal darüber sprechen, okay?«
    »Okay.« Er nickte. »Dann gute Nacht.«
    »Ja, gute Nacht.« Pia schloss das Auto auf und setzte sich hinters Lenkrad. »Du solltest übrigens auch mal ein bisschen schlafen.«
    »Machst du dir etwa

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