Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Sorgen um mich?« Christian legte den Kopf schief und grinste.
»Natürlich.« Pia ging auf seinen leicht flirtenden Unterton ein. »Du bist immerhin mein Lieblingskollege.«
»Ich dachte immer, das sei Bodenstein.«
»Der ist mein Lieblingschef.« Sie ließ den Motor an, legte den Rückwärtsgang ein und zwinkerte ihm zu. »Wir sehen uns morgen!«
Donnerstag, 1. Juli 2010
Im K11 herrschte hoffnungsvoller Optimismus. Bodensteins Auftritt bei Aktenzeichen XY hatte eine neue Welle von Hinweisen eingebracht, denen nun nachgegangen werden musste. Die Zeugin Karen Wenning war pünktlich um neun Uhr auf dem Kommissariat erschienen und hatte den Vorfall vom 7. Mai mit minutiösem Erinnerungsvermögen geschildert. Sie war absolut sicher, dass es sich bei dem Mädchen, das sie so verzweifelt um Hilfe gebeten hatte, um die Nixe handelte, und erklärte sich bereit, gemeinsam mit einem Spezialisten vom LKA Phantombilder der angeblichen Eltern anzufertigen.
»Sie ist Maskenbildnerin am Frankfurter Schauspielhaus, hat einen Blick für Gesichter«, erklärte Pia ihrem Chef, der eintraf, als sie und Cem mit der Befragung der Zeugin fertig waren. »Sie hat schon für Film, Fernsehen und Theater gearbeitet.«
»Ist sie glaubwürdig?« Bodenstein zog sein Jackett aus und hängte es über die Lehne seines Schreibtischstuhls.
»Ja, auf jeden Fall.« Pia nahm vor seinem Schreibtisch Platz und gab ihm eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die sie aus dem Gespräch mit Lutz Altmüller gewonnen hatte. Bodenstein hörte aufmerksam zu.
»Du zweifelst an Rothemund als Täter?« Er runzelte die Stirn.
»Ja. Zwischen ihm und Hanna Herzmann ist etwas, das über rein berufliches Interesse hinausgeht«, erwiderte Pia. »Sie hat ihn an dem Mittwochabend zum Campingplatz gefahren, war bei ihm im Wohnwagen. Das Haar, das dort gefunden wurde, stammt von ihr. Was, wenn die beiden in dieser Nacht einfach nur einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatten?«
»Möglich«, räumte Bodenstein ein. »Was ist mit Prinzler?«
»Die Kollegen aus Frankfurt haben mir die Gnade eines Termins in Preungesheim für heute Nachmittag gewährt«, sagte Pia sarkastisch. »Ich habe übrigens erfahren, dass die Durchsuchung des Anwesens ein Griff ins Klo war, genau wie du vermutet hast. Keine Waffen, keine Drogen, keine gestohlenen Autos, keine illegalen Mädchen.«
Bodenstein nippte an seinem Kaffee und enthielt sich eines Kommentars. Pia fuhr fort, berichtete ihm davon, dass sie Leonie Verges’ Patientenkartei durchgegangen waren, aber ohne Ergebnis.
»Aus welchem Grund habt ihr das gemacht?«, wollte Bodenstein wissen.
»Mein Gefühl sagt mir, dass Hanna Herzmann nicht über die Road Kings recherchiert hat«, antwortete Pia und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ich glaube, dass die Fälle Hanna Herzmann und Leonie Verges zusammenhängen. Vielleicht war es sogar derselbe Täter.«
»Aha. Wie kommst du darauf?«
»Kai, Christian und ich haben über ein mögliches psychologisches Profil des Täters gesprochen. Wir denken, dass er zwischen vierzig und fünfzig ist, Bindungsprobleme oder Probleme mit Frauen im Allgemeinen und ein niedriges Selbstwertgefühl hat. Er hat eine sadistisch-voyeuristische Ader, empfindet Freude am Leid anderer, am Flehen und am Todeskampf seiner Opfer. Ihm gefällt es, Macht über Menschen auszuüben, die ihm eigentlich überlegen sind, die er aber durch Fesseln und Knebeln erniedrigen und demütigen kann. Er hat kein moralisches Werteempfinden, ist cholerisch veranlagt, aber trotzdem sehr intelligent und wahrscheinlich auch gebildet.«
Sie lächelte, als sie Bodensteins erstauntes Gesicht sah.
»Kais Fortbildung hat sich ausgezahlt, oder?«
»Es hört sich auf jeden Fall beeindruckend an«, antwortete Bodenstein. »Auf wen von unseren Verdächtigen passt dieses Profil?«
»Leider kennen wir weder Rothemund noch Prinzler bisher gut genug, um das beurteilen zu können«, gab Pia zu. »Deshalb möchte ich Kai oder Christian heute Nachmittag mit nach Preungesheim nehmen.«
»Von mir aus, gerne.« Bodenstein trank den Kaffee aus. »War’s das?«
»Nein.« Pia hatte sich das sensibelste Thema bis zum Schluss aufgehoben. »Ich möchte von dir gerne etwas über den Tod von Erik Lessing erfahren.«
Bodenstein, der gerade seine Tasse abstellen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Seine Miene verschloss sich, als ob in seinem Innern ein Rollladen heruntergerasselt wäre. Die Tasse schwebte ein paar Zentimeter über der
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