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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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stand unter Schock. Er war schneeweiß im Gesicht. »Um ein Haar wär ich über dich drübber jefahren!«
    »Wo bin ich?« Kilian fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen und versuchte, sich aufzurichten.
    »Auf der L56, kurz vor Selfkant.«
    »In Deutschland?«
    »Ja. Wat ist denn passiert?«
    Ein zweiter jüngerer Mann kam dazu, in der Hand ein Handy.
    »Kein Empfang«, sagte er und beugte sich ebenfalls besorgt über Kilian. »Hey, Mann, was ist los? Was ist mit dir passiert?«
    »Ich muss nach Frankfurt. Und ich muss telefonieren.« Kilian konnte sich vorstellen, wie er aussah. »Bitte kein Krankenwagen oder Polizei.«
    »Ey, du bist halbtot«, sagte der jüngere der beiden Männer. Kilian konnte nur an Chiara denken. Er musste sie erreichen, bevor ihr etwas zustieß. Die beiden richteten ihn vorsichtig auf und lehnten ihn an die Leitplanke, dann befreiten sie ihn von seinen Fesseln. Mit ihrer Hilfe kam er auf die Beine.
    »Könnt ihr mich ein Stück mitnehmen?«, fragte er. »Ich muss echt dringend nach Frankfurt.«
    Die beiden Lkw-Fahrer waren nicht versessen darauf, mit ihren Spediteuren Zoff zu kriegen, weil sie der Polizei irgendwelche Beobachtungen zu Protokoll gegeben hatten. Sie stellten keine Fragen, gaben ihm eine Flasche Wasser und einen Lappen, um das getrocknete Blut aus dem Gesicht und von den Händen zu wischen.
    »Ich muss nach Mönchengladbach«, sagte der mit dem Schnauzbart. »Vielleicht find ich über Funk einen Kollegen, der dich von da aus weiter mit nach Frankfurt nimmt.«
    »Danke.« Kilian nickte. Er schaffte es kaum, in den Lkw zu klettern. Sein Körper bestand nur aus Schmerz. Die Haut in seinem Gesicht spannte. Aus dem Außenspiegel starrte ihm eine verschwollene Horrorfratze entgegen, die ihm nicht mehr im Geringsten ähnlich sah.
    Der Schnauzbart startete den Motor des riesigen Gefährts und manövrierte es wieder auf die richtige Fahrbahnseite. Kilian schauderte. Die Reifen des Dreißigtonners hätten seine Knochen zermalmt wie eine Walnuss. Vermutlich hatten seine Entführer genau darauf gehofft.
    *
    Der Garten war von gutgelaunten, sommerlich gekleideten Gästen bevölkert, die Jazzband spielte und Kellner schoben sich mit Sektgläsern und Finger-Food auf Tabletts durch die Menge. Emma suchte mit den Augen nach ihren Schwiegereltern. Sie kannte zwar von den Einladungen und der Gästeliste jeden einzelnen Namen, aber persönlich war ihr kaum jemand bekannt. Louisa umklammerte ihre Hand und presste sich so scheu an sie, als sei sie fremd hier. Es hatte Emmas ganzer Kunstfertigkeit bedurft, um aus Louisas Zerstörungswerk einen annehmbaren Kurzhaarschnitt zu zaubern. In Jeans und einem weißen Longsleeve sah sie aus wie ein kleiner Junge.
    »Ah, da sind ja Opa und Oma«, sagte Emma. Die Schwiegereltern standen auf der großen Terrasse, Josef in einem hellen Leinenanzug, Renate in einem apricotfarbenen Kleid, das wunderbar zu ihrer gebräunten Haut und dem weißen Haar passte, und begrüßten die eintreffenden Gäste. Renate strahlte über das ganze Gesicht und wirkte glücklich und entspannt.
    Emma gratulierte ihrem Schwiegervater zum Geburtstag.
    »Na, wo ist denn meine kleine Prinzessin?« Josef beugte sich zu Louisa herunter, aber die versteckte sich hinter ihrer Mutter. »Willst du dem Opa nicht ein Küsschen zum Geburtstag geben?«
    »Nein!« Louisa schüttelte heftig den Kopf. Die Umstehenden lachten amüsiert.
    »Was ist denn mit Louisas schönen Haaren passiert?«, fragte Renate konsterniert. »Und wo ist denn das hübsche rosa Kleidchen?«
    »Uns gefallen die kurzen Haare besser«, beeilte Emma sich zu sagen. »Nicht wahr, Louisa? Das geht viel schneller beim Haarewaschen.«
    »Aber was …?«, begann Renate wieder, doch Emma brachte sie mit einem flehenden Blick zum Schweigen.
    »Papa!«, rief Louisa in dem Augenblick, riss sich von Emmas Hand los und rannte auf Florian zu. Emmas Herz machte beim Anblick ihres Ehemannes einen Satz. Wie sein Vater trug auch Florian einen hellen Anzug und sah einfach umwerfend gut aus. Er fing Louisa auf und hob sie hoch. Sie schlang die Ärmchen um seinen Hals und presste ihre Wange an seine.
    »Hallo«, sagte Florian zu Emma. Er verlor kein Wort über Louisas neue Frisur und die Jeans. »Wie geht es dir?«
    »Hallo«, erwiderte Emma kühl. »Ganz gut. Und dir?«
    Auch wenn ihr Zorn und das Gefühl der Demütigung, das ihr seine Untreue zugefügt hatte, momentan verflogen waren, blieb die Distanz zwischen ihnen bestehen. Er

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