Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
zufriedenstellend. Sie sah einfach scheiße aus und hatte eine schlechte Haut. Ihre Laune sank gegen den Nullpunkt.
»Hässliche Kuh!«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild und zog eine Grimasse.
Unten ging die Haustür auf. Sie hob alarmiert den Kopf und lauschte. Wer konnte das denn sein? Die Putzfrau kam immer dienstags, sie würde wohl kaum freiwillig Überstunden machen. Hatten irgendwelche Nachbarn einen Schlüssel? Meike pirschte in den Flur, presste sich mit klopfendem Herzen an die Wand und blickte hinunter in die Empfangshalle. Da waren zwei Männer im Haus! Einer wandte ihr den Rücken zu, der andere, ein schmaler Bärtiger mit Pferdeschwanz, schlenderte gerade so selbstverständlich in die Küche, als sei er hier zu Hause. Einbrecher am helllichten Tag!
Meike schlich zurück in Hannas Schlafzimmer, in dem sie geschlafen hatte, und blickte sich um. Shit! Wo war ihr Handy? Sie durchwühlte das Bett, doch dann fiel ihr ein, dass sie vorhin im Whirlpool mit Kopfhörern Musik gehört hatte. Wahrscheinlich lag es noch dort.
Statt des Handys schob sie den Elektroschocker, den sie seit dem Überfall auf Hanna immer mit sich herumtrug, in die hintere Hosentasche ihrer Jeans. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hinunterzuschleichen und durch die Haustür abzuhauen, wenn sie den Typen hier oben nicht in die Falle gehen wollte. Die beiden unterhielten sich im Erdgeschoss ungeniert laut, sie standen in der Küche, und auf einmal brummte sogar das Mahlwerk der Espressomaschine. Wie dreist waren die denn?
Meike hockte oben an der Treppe und lauschte mit angehaltenem Atem nach unten. Für eine Flucht durch die Haustür musste sie den optimalen Moment abpassen. Da verließ einer der Männer mit einem Handy am Ohr die Küche. Meike traute ihren Augen nicht.
»Wolfgang?«, fragte sie ungläubig und richtete sich auf.
Der Mann fuhr zusammen, das Handy rutschte ihm vor Schreck aus der Hand und fiel auf den Boden. Er starrte sie an wie einen Geist.
»W… w… was machst du denn hier?«, stotterte er. »Warum bist du nicht in Frankfurt?«
Meike ging die Treppe hinunter.
»Ich hab hier übernachtet. Warum bist du hier?«, erwiderte sie kühl. Sie hatte nicht vergessen, wie er sie gestern abserviert hatte. »Und wer ist dein Kumpel? Wie kommt ihr dazu, einfach hier einzudringen und euch auch noch ein Käffchen zu kochen?«
Sie stemmte eine Hand in die Taille und betrachtete Wolfgang mit gut gespielter Empörung. »Weiß Mama das?«
Alle Farbe war aus Wolfgangs Gesicht gewichen, er war totenbleich.
»Bitte, Meike!« Er hob beschwörend die Hände, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »Verschwinde von hier und vergiss einfach, dass du uns hier …«
Er verstummte, als der bärtige Pferdeschwanz hinter ihm in der Küchentür auftauchte.
»Nanu«, sagte der Mann, »wen haben wir denn hier?«
»Schmeckt Ihnen unser Kaffee?«, fragte Meike spitz.
»Danke, es geht«, erwiderte der Bärtige, ein drahtiger, muskulöser Mann, dessen Sonnenbräune verriet, dass er sich oft im Freien aufhielt. Seine Augen funkelten spöttisch. »Die Saeco macht für meinen Geschmack einen besseren Kaffee, aber das hier ist durchaus akzeptabel.«
Meike starrte ihn böse an. Was erlaubte sich der Kerl? Wer war er überhaupt? Und was tat Wolfgang an einem Freitagvormittag im Haus ihrer Mutter? Sie ging die letzten beiden Stufen hinunter.
»Bitte, Meike!« Wolfgang trat zwischen sie und den Mann. »Geh einfach. Du hast uns hier nicht gesehen …«
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sagte der Mann mit dem Pferdeschwanz bedauernd und schob ihn zur Seite. »Geh nach der Post gucken, Wolfi.«
Meike blickte misstrauisch zwischen ihm und Wolfgang hin und her, aber Wolfgang wich ihrem Blick aus und wandte sich ab. Nicht zu fassen! Er ließ sie einfach stehen!
»Wolfgang, warum hast …?«
Der Schlag kam aus dem Nichts und traf sie mitten im Gesicht, sie taumelte nach hinten, konnte sich gerade noch am Treppengeländer abfangen. Sie fasste sich ins Gesicht und betrachtete ungläubig das Blut an ihrer Hand. Eine Hitzewelle pulsierte durch ihren Körper.
»Hast du ’n Knall, du Arschloch?«, schrie sie wütend. Meike wusste nicht, worüber sie sich mehr ärgerte: über diesen unverschämten Kerl, der ihr wirklich weh getan hatte, oder über Wolfgang, der sich feige abwandte, sein Handy aufhob und sie ihrem Schicksal überließ! Hass, Enttäuschung und Adrenalin kochten über, und anstatt zur Haustür zu laufen
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