Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
und um Hilfe zu rufen, stürzte sie sich mit einem Wutschrei auf den bärtigen Mann.
»Oho! Deine Mama hat sich nicht so gewehrt. Die war richtig langweilig im Gegensatz zu dir.« Er hatte alle Hände voll zu tun, sich ihrer zu erwehren, aber sie hatte letztlich keine Chance, denn er war ein erwachsener Mann und sie nur eine halbe Portion. Dennoch schnaufte er angestrengt, als er ihr sein Knie in die Wirbelsäule stemmte und ihre Handgelenke hinter ihrem Rücken brutal zusammenschnürte.
»Du bist ja eine kleine Wildkatze«, zischte er.
»Und du bist ein beschissener Wichser!«, stieß Meike zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte, nach ihm zu treten.
»Los, steh auf!« Der Bärtige zog sie hoch und zerrte sie die Kellertreppe hinunter.
»Wolfgang!«, kreischte sie. »Scheiße, tu doch was! Wolfgang! «
»Halt dein Maul!«, keuchte der Mann und ohrfeigte sie ein paarmal. Meike spuckte ihn an, trat nach ihm und traf ihn an einer empfindlichen Stelle. Da rastete er aus. Er stieß sie in den Heizungskeller, dann schlug er zu, prügelte auf sie ein, bis sie zu Boden ging.
Endlich schien es ihm zu reichen. Er richtete sich schwer atmend auf, fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn. Sein Pferdeschwanz hatte sich gelöst, die Haare fielen ihm ins Gesicht. Meike krümmte sich hustend auf dem blanken Betonfußboden.
Oben klingelte es an der Haustür.
»Die Post ist da«, sagte der Mann. »Lauf nicht weg. Du hast nämlich noch ein Date.«
»Mit dir, oder was?«, krächzte Meike. Er beugte sich über sie, packte ihr Haar und zwang sie, ihn anzuschauen.
»Nein, Baby. Nicht mit mir.« Sein Grinsen war diabolisch. »Du hast ein Date mit dem Sensenmann.«
*
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Nee«, sagte er mit Bestimmtheit. »Von denen isses keiner.«
»Wirklich nicht?«, vergewisserte sich Bodenstein. »Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
»Nein.« Der Zeuge Andreas Hasselbach war ganz sicher. »Ich hab ihn zwar nur kurz gesehen, aber von denen war es keiner.«
Fünf Männer standen auf der anderen Seite der verspiegelten Glasscheibe, jeder von ihnen hielt ein Schild mit einer Nummer in der Hand. Prinzler hatte die Nummer drei, aber der Zeuge hatte ihn nicht länger oder intensiver angesehen als die anderen vier Männer. Pia sah die Enttäuschung in der Miene ihres Chefs, aber ihr war gleich klar gewesen, dass der Mann nicht dabei war, denn alle außer Bernd Prinzler waren Kollegen.
»Was ist mit dem hier?« Sie reichte Hasselbach den Ausdruck des Phantombildes, das mit Hilfe der Zeugin aus Höchst entstanden war. Ihm genügte ein einziger Blick.
»Der ist es!«, rief er aufgeregt und ohne Zögern.
»Danke.« Pia nickte. »Sie haben uns sehr geholfen.«
Jetzt mussten sie diesen Mann nur noch finden. Vielleicht half ein weiteres Mal die Öffentlichkeit. Die Kollegen kehrten an ihre Schreibtische zurück, der Zeuge wurde entlassen und Prinzler in den benachbarten Vernehmungsraum gebracht. Bodenstein und Pia nahmen ihm gegenüber Platz, Cem lehnte an der Wand.
»Warum haltet ihr mich hier fest?« Prinzler war sauer. »Es liegt nichts gegen mich vor! Das ist echter Bullenterror! Ich will meine Frau anrufen.«
»Reden Sie doch einfach mit uns«, schlug Bodenstein vor. »Sagen Sie uns, woher Sie Leonie Verges und Hanna Herzmann kannten und weshalb Sie bei ihnen gewesen sind. Dann dürfen Sie Ihre Frau anrufen oder gleich gehen.«
Prinzler musterte Bodenstein abschätzend.
»Ich sag gar nichts ohne meine Anwältin. Ihr dreht mir doch nur wieder einen Strick aus allem, was ich sage.«
Bodenstein bombardierte den Mann mit denselben Fragen, die Pia und Kröger ihm schon tags zuvor gestellt hatten, und bekam ebenso wenige Antworten.
»Ich will erst mit meiner Frau telefonieren«, antwortete Prinzler auf jede Frage stereotyp. Das schien ihm wirklich wichtig zu sein, auch wenn er versuchte, gelassen zu wirken. Er sorgte sich um seine Frau. Aber warum?
Pia warf einen Blick auf ihre Uhr. Sie musste in einer Stunde in Falkenstein sein. So kamen sie hier nicht weiter. Sie schob ihm das Phantombild hin.
»Wer ist dieser Mann?«
»Ist das der Kerl, den ihr sucht? Deshalb die Gegenüberstellung?«
»Richtig. Kennen Sie ihn?«
»Ja. Das ist Helmut Grasser«, erwiderte er schroff. »Hättet ihr mich gleich gefragt, hättet ihr euch die ganze Arie eben sparen können.«
Zorn stieg in Pias Innerem hoch, so wie Blut aus einem scharfen Schnitt in der Haut quillt. Die Zeit lief ihnen davon, und dieser Kerl, der
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