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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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folgten ihm, auch lächelnd, so, als sei alles in bester Ordnung.
    »Immer hieß es, ich solle Rücksicht nehmen, denn die armen Kinder bräuchten Liebe und Wärme und Geborgenheit, die ich ja schließlich hätte«, sprach Florian weiter. »Wie gerne wäre ich oft auch ein Waisenkind gewesen mit drogensüchtigen Alkoholikereltern. Wie gerne wäre ich auch mal faul, schwierig, frech oder schlecht in der Schule gewesen, aber ich durfte mir das nie erlauben.«
    In dieser Sekunde begriff Emma das wahre Problem ihres Mannes. Er hatte seine ganze Kindheit und Jugend hindurch darunter gelitten, dass andere Kinder mehr Aufmerksamkeit von seinen Eltern bekamen als er selbst. Florian schnappte sich vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners noch ein Glas Sekt und trank es in einem Zug aus, während sich alle Zieh- und Pflegekinder seiner Eltern in einem Halbkreis aufstellten und für Josef ein »Happy birthday to you« sangen. Josef strahlte, und Renate tupfte sich die Tränen der Rührung von den Wangen.
    »Ach, Emmi«, sagte Florian und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Es tut mir so leid, was in den letzten Wochen passiert ist. Lass uns nach einem Haus suchen und von hier weggehen.«
    »Warum hast du nie mit mir über all das gesprochen?« Emma kämpfte gegen die Tränen. »Weshalb hast du es so weit kommen lassen?«
    »Weil …« Er brach ab, blickte sie an, suchte nach den richtigen Worten. »Ich dachte, ich halte es aus, bis das Baby da ist. Aber plötzlich … ich weiß nicht … du warst hier auf einmal so glücklich. Und da dachte ich, du willst hierbleiben.«
    »Aber … aber … warum hast du mich …?« Emma brachte es nicht fertig, das Wort ›betrogen‹ auszusprechen. Das, was er getan hatte, würde immer zwischen ihnen stehen, und sie war sich nicht sicher, ob sie Florian das jemals verzeihen konnte.
    »Ich habe keine andere Frau und erst recht kein Verhältnis. Ich … ich war …« Er atmete tief durch und gab sich einen Ruck. »Ich war das erste und letzte Mal in meinem Leben in Frankfurt auf dem … Straßenstrich. Ich … ich wollte da gar nicht hin, das war … ich … die Ampel war rot, und da stand auf einmal diese Frau. Ich weiß, dass das unverzeihlich war, was ich getan habe. Ich bereue wirklich tief, dich so verletzt zu haben. Und es gibt auch keine Entschuldigung dafür. Ich kann nur hoffen, dass du mir eines Tages verzeihst.«
    Emma sah Tränen in seinen Augen glänzen. Sie ergriff seine Hand und drückte sie stumm. Vielleicht würde doch wieder alles gut werden.
    *
    Dank Miriams Oma besaß Pia mittlerweile Erfahrung, was gesellschaftliche Anlässe wie diesen Geburtstagsempfang betraf, doch wohl fühlte sie sich nach wie vor nicht zwischen den aufgebrezelten Fremden, die sich alle untereinander zu kennen schienen. Damen gesetzteren Alters, in Parfüm mariniert und mit dunkler Krokodillederbräune, die gelangweilte Jahrzehnte auf Golfplätzen und Segelyachten verrieten, trugen vorzugsweise Hut und ihren aus den Banksafes befreiten teuren Schmuck zur Schau. Spitze Begrüßungsschreie mischten sich mit Gegacker wie in einem Hühnerstall. Pia schob sich auf der Suche nach Emma durch die Menge und fragte sich, was sie hier eigentlich zu suchen hatte. Sie steckte bis zum Hals in Arbeit, machte sich allergrößte Sorgen um Lilly und verschwendete hier ihre Zeit, weil sie einer alten Klassenkameradin, die sie fünfundzwanzig Jahre lang nicht gesehen hatte, in einem sentimentalen Moment ein unsinniges Versprechen gegeben hatte. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sich eine Gelegenheit ergeben würde, mit Emma über den Termin bei der Therapeutin des Frankfurter Mädchenhauses zu sprechen, den sie ihr vermittelt hatte. Pia war nie ein mütterlicher Typ gewesen, doch durch Lilly hatte sich irgendetwas verändert, und seitdem Emma die Befürchtung geäußert hatte, ihre kleine Tochter könne missbraucht worden sein, wurde Pia den Gedanken nicht mehr los, dass ihrer Nixe aus dem Main tatsächlich genau so etwas zugestoßen sein konnte. War es wirklich nur ein Zufall, dass Kilian Rothemund, der vorbestrafte Kinderschänder, nur ein paar Kilometer vom Fundort der Mädchenleiche entfernt lebte? Deckte Prinzler möglicherweise seinen ehemaligen Anwalt aus falsch verstandener Solidarität? Oder steckte er letzten Endes mit Rothemund sogar unter einer Decke? Prinzler hatte vorhin weder seine Frau noch seine Anwältin erreicht und schwieg sich noch immer aus, obwohl sie ihn hatten telefonieren

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