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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Staatsanwalt Frey ergriff ihren Arm und zog sie ein Stück zur Seite, damit der Rettungswagen vorbeifahren konnte.
    »Ja, das stimmt.« Pia nickte. »Mein Chef ist noch im Urlaub.«
    »Hm. Was genau ist hier vorgefallen?«
    Pia erläuterte in knappen Worten die Situation.
    »Ich hielt es für richtig, der Presse Zugang zum Leichenfundort zu gewähren«, schloss sie ihren Bericht. »Mein Kollege konnte auf die Schnelle keine Vermisstenanzeige finden, die auch nur annähernd gepasst hätte. Vielleicht kann die Öffentlichkeit bei der Klärung der Identität des toten Mädchens hilfreich sein.«
    Der Staatsanwalt runzelte die Stirn, nickte dann aber zustimmend.
    »Eine rasche Aufklärung eines Todesfalls ist immer wünschenswert«, entgegnete er. »Ich schaue mir die Sache mal an. Wir sehen uns später noch.«
    Pia wartete, bis er in der Dunkelheit verschwunden war, dann tippte sie die Nummer, die ihr das Mädchen gegeben hatte, in ihr Handy. Ein leichter Wind war aufgekommen, sie fröstelte. Die Presseleute kamen zurück.
    »Können wir noch ein kurzes Statement haben?«
    »Gleich.« Pia ging ein paar Meter Richtung Flussufer, um ungestört sprechen zu können, denn am anderen Ende der Leitung hatte sich eine äußerst wache Männerstimme gemeldet. »Guten Abend, Herr Hindemith. Mein Name ist Kirchhoff von der Kripo Hofheim. Es geht um Ihre Tochter Alina. Keine Sorge, es geht ihr gut, aber ich würde Sie bitten, nach Eddersheim zu kommen. An die Staustufe. Sie können es nicht verfehlen.«
    Die Männer vom Bestattungsunternehmen kamen den Trampelpfad mit einem Leichensack auf einer Bahre hoch. Sofort flammten die Lampen der Kameras auf. Pia ging zu Krögers Dienstwagen, der wie üblich nicht abgeschlossen war, angelte die dunkelblaue Fleecejacke vom Rücksitz und schlüpfte hinein. Dann fasste sie ihr offenes Haar im Nacken zusammen und band es mit einem Gummi zu einem Knoten. So fühlte sie sich schon etwas mehr wie sie selbst und gerüstet, um vor die laufenden Fernsehkameras zu treten.
    *
    Seit dem frühen Abend wurde überall auf dem Campingplatz gegrillt und getrunken. In den Sommermonaten spielte sich das soziale Leben der Bewohner vorwiegend im Freien ab, und mit der fortschreitenden Uhrzeit stiegen Lärm- und Alkoholpegel. Gelächter, Gegröle, Musik – niemand nahm auf irgendjemanden Rücksicht, und bisweilen eskalierten an und für sich unbedeutende Ereignisse zu lautstarken und handfesten Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn, die sich schon in nüchternem Zustand nicht grün waren. Üblicherweise gelang es dem Platzwart, die Streitigkeiten zu schlichten, aber die Hitze schürte die Aggressionen und so musste in den vergangenen Wochen mehrfach die Polizei gerufen werden, bevor es Verletzte oder gar Tote gab.
    Schon seit Jahren lud ihn niemand mehr ein, denn er hatte konsequent jede Einladung abgelehnt. Eine Verbrüderung mit den anderen Campingplatzbewohnern war das Letzte, was er wollte, und bei seiner Vergangenheit war es eindeutig besser, wenn niemand wusste, wer er wirklich war und warum er hier lebte. Der Verpächter war der Einzige, dem er irgendwann einmal seinen richtigen Namen gesagt hatte, und er bezweifelte, dass er sich an ihn erinnerte. Einen offiziellen Mietvertrag für den Wohnwagen gab es nicht. Um keine schlafenden Hunde zu wecken, zahlte er die Miete bar und pünktlich. Seine offizielle Anschrift war ein Postfach auf dem Schwanheimer Postamt. Hier, auf dem Campingplatz, gab es ihn nicht. Und das war gut so.
    Er hatte es sich schon vor Jahren zur Gewohnheit gemacht, spazieren zu gehen, wenn abends gefeiert und gesoffen wurde. Der Krach störte ihn nicht einmal, aber seitdem er in der Imbissbude arbeitete, konnte er den Geruch von gebratenem Fleisch und Würstchen, der zu ihm herüber waberte, kaum mehr ertragen. Er war den Fußweg am Main entlang gelaufen und hatte sich für eine Weile auf eine Bank gesetzt. Normalerweise beruhigte ihn der träge dahinfließende Fluss, doch heute hatte ihn das gleichmäßige Rauschen in einen quälenden Zustand gesteigerter Wahrnehmung versetzt, in dem ihm die Jämmerlichkeit seines Lebens in ihrer ganzen Aussichtslosigkeit so deutlich bewusst wurde wie selten. Um dem sinnlosen Kreisen seiner Gedanken zu entfliehen, war er losgejoggt, immer am Fluss entlang, bis nach Goldstein und zurück.
    Totale körperliche Erschöpfung war normalerweise das beste Mittel, den bitteren Gedanken Einhalt zu gebieten. Diesmal funktionierte es nicht. Vielleicht lag es an

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