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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Alina Hindemith.«
    Sie roch unangenehm nach Alkohol und Erbrochenem.
    »Eben haben Sie doch gesagt, Sie heißen Sabrina«, mischte sich der Rettungsassistent ein. »Und Ihr Personalausweis …«
    »Würden Sie uns bitte allein lassen?«, unterbrach Pia ihn.
    »Ich … ich kann das erklären«, flüsterte die junge Frau und richtete ihren Blick an die Decke des Rettungswagens. »Es … es war dumm von mir, aber … aber ich habe mir den Personalausweis von meiner älteren Schwester ausgeliehen. Wir … wir sehen uns ziemlich ähnlich.«
    Pia seufzte. Leider klappte dieser Trick in so gut wie jedem Supermarkt Deutschlands.
    »Ich … ich hab damit … Alkohol gekauft. Wodka und Slibowitz.« Sie fing an zu schluchzen. »Meine Eltern bringen mich um, wenn sie das hören.«
    »Wie alt bist du, Alina?«
    »Fünf … fünfzehn.«
    Fünfzehn Jahre alt und zwei Promille Alkohol im Blut. Eine reife Leistung.
    »Kannst du dich erinnern, was passiert ist?«
    »Wir sind über das Tor geklettert. Mart und Diego haben den Platz gekannt und gesagt, da stört uns keiner. Und da … da haben wir dann halt so rumgesessen und … und getrunken.«
    »Wer war noch dabei?«
    Das Mädchen blickte sie kurz an, dann legte es die Stirn in Falten. Es schien ihr Schwierigkeiten zu bereiten, sich zu erinnern.
    »Mart und Diego und … und ich. Und Katharina und Alex … und …« Alina verstummte und sah Pia voller Entsetzen an. »Mia! Ich … ich weiß nicht, was genau passiert ist, ich … ich hatte einen Filmriss. Aber dann hab ich Mia im Wasser liegen sehen! Oh Gott, oh Gott! Und Alex, der war so betrunken, ich konnte ihn nicht wecken!«
    Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, dann strömten die Tränen.
    Pia ließ sie einen Moment weinen. Das Mädchen aus dem Fluss konnte nicht Mia sein, die mit Alina und ihren Freunden getrunken hatte. Henning irrte sich nur sehr selten, und die Schiffsschraubenverletzungen sprachen dafür, dass die Tote schon länger im Fluss gelegen hatte. Pias Handy klingelte, es war Kai Ostermann, leider konnte er ihr nur sagen, dass seine Anfrage nichts ergeben hatte. Pia bedankte sich und legte auf.
    Sie fragte das Mädchen nach dem Nachnamen und der Adresse des bewusstlosen Jungen, dann nach der Telefonnummer ihrer Eltern. Als sie beides notiert hatte, kletterte sie aus dem Rettungswagen und besprach sich kurz mit dem Notarzt.
    »Sie ist stabil und kann nach Hause«, sagte der. »Morgen wird sie wohl einen ordentlichen Kater haben, aber da muss sie durch.«
    »Was ist mit dem Jungen?«, wollte Pia wissen.
    »Er ist schon auf dem Weg nach Höchst. Ich fürchte, der kommt nicht bloß mit ’nem dicken Kopf davon.«
    »Guten Abend, Frau Kirchhoff«, sagte jemand. Pia wandte sich um. Hinter ihr stand ein dunkelhaariger Mann mit Dreitagebart in verwaschenen Jeans, T-Shirt und abgetretenen Mokassins, der ihr vage bekannt vorkam. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie Oberstaatsanwalt Dr. Frey erkannte.
    »Ha… Hallo, Herr Dr. Frey«, stotterte sie verblüfft, und beinahe wäre ihr noch ein ›Wie sehen Sie denn aus?‹ herausgerutscht. Sie hatte ihn nie anders als in einem Dreiteiler mit Krawatte gesehen, stets glattrasiert und mit perfekter Gelfrisur. Er musterte sie seinerseits allerdings mit derselben Mischung aus Neugier und Erstaunen.
    »Ich war auf einem Klassentreffen, als die Zentrale angerufen hat«, erklärte sie ihre Aufmachung mit einem Anflug von Verlegenheit.
    »Und ich Grillen mit Familie und Freunden.« Auch Staatsanwalt Frey schien eine Rechtfertigung seines ungewöhnlichen Aufzugs für notwendig zu halten. »Man hat mich über den Leichenfund informiert, und da ich sowieso in Flörsheim war, habe ich mich bereit erklärt, die Sache zu übernehmen.«
    »Äh ja, das … das ist gut.« Pia war noch immer leicht irritiert von der Metamorphose des Staatsanwalts, dem sie weder Freunde noch einen entspannten Grillabend zugetraut hatte. Er roch ganz leicht nach Alkohol und einem Hauch Pfefferminze. Offensichtlich war er nicht völlig immun gegen weltliche Genüsse. Eine völlig neue Seite an diesem für seine eiserne Disziplin und seine Arbeitswut berüchtigten Calvinisten, der in ihrer Vorstellung ausschließlich in seinem Büro oder im Schwurgerichtssaal existierte.
    »Rufen Sie die Eltern der zwei Saufnasen an?« Der Notarzt schob schwungvoll die Seitentür des Rettungswagens zu.
    »Ja, klar. Ich kümmere mich darum«, sagte Pia.
    »Man sagte mir, dass Sie die Ermittlung leiten.«

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