Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Totschläger. Seinen Schwiegereltern hatte das nicht gefallen, aber für Britta hatte es keine Rolle gespielt. Er verdiente besser als die Männer ihrer Freundinnen, sie konnten sich alles leisten, was sie haben wollte.
Ja, das Leben war großartig gewesen, auch wenn er achtzig Stunden pro Woche gearbeitet hatte. Der Erfolg hatte ihn berauscht, die Presse bezeichnete ihn schon als den neuen Rolf Bossi. Er bewegte sich wie selbstverständlich in den Kreisen seiner prominenten Klienten, wurde zu Geburtstagen und Hochzeiten eingeladen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er tausend Mark pro Stunde abgerechnet, und er war seinen Mandanten jeden Pfennig wert gewesen.
Das alles war lange vorbei. Statt Maserati Quattroporte und 911 Turbo fuhr er jetzt einen uralten Roller. Die Villa mit Garten, Pool und allem nur erdenklichen Luxus hatte er gegen einen Wohnwagen getauscht. Doch mochten sich die Äußerlichkeiten des Lebens auch verändert haben, der Mensch in ihm war derselbe geblieben, mit allen geheimen Wünschen, Träumen und Sehnsüchten. Meistens gelang es ihm, sie zu beherrschen. Manchmal nicht. Manchmal war sein innerer Drang stärker als jede Vernunft.
Er hatte die letzten Häuser von Langenselbold hinter sich gelassen. Jetzt waren es nur noch drei Kilometer. Der Hof war nicht einfach zu finden, und das war von seinen Bewohnern auch genau so beabsichtigt. Sie hatten sehr lange gesucht damals, bis sie das passende Objekt gefunden hatten: einen heruntergekommenen Bauernhof mit einem großen Grundstück hinter einem Waldstück, von keiner Straße aus einsehbar. Es war Jahre her, seitdem er dort gewesen war, und er war beeindruckt, als er sah, was sie daraus gemacht hatten. Er stoppte den Roller vor einem zwei Meter hohen zackenbewehrten Eisentor. Sofort erfassten ihn die von Bewegungsmeldern gesteuerten Kameras und richteten ihre Objektive auf ihn. Der Bauernhof war zu einer uneinnehmbaren Festung geworden, umgeben von einem Zaun, der von innen mit einer blickdichten Plane versehen war. Er setzte den Helm ab.
»Benvenuto, Dottore Avvocato« , schnarrte eine Stimme aus der Sprechanlage. »Kommst pünktlich zum Mittagessen. Wir sind hinter der Scheune.«
Das doppelflügelige Tor schwang langsam auf, und er fuhr hindurch. Dort, wo früher Kuh- und Schweineställe gestanden hatten und tonnenweise alter Mist gelagert wurde, befand sich nun ein Schrottplatz. Die sorgfältig sanierte Scheune beherbergte die Werkstatt, auf dem gepflasterten Vorplatz standen chromblitzende Harley Davidsons in Reih und Glied, neben denen sich sein kümmerlicher Motorroller wie ein armer Verwandter ausnahm. Auf der anderen Seite bellten ein paar Staffordshire Bullterrier hinter vertrauenerweckend stabil aussehenden Gitterstäben in einem großen Zwinger.
Er klemmte den Pappkarton unter den Arm und ging um die Scheune herum. Vielleicht wäre er erschrocken, wenn er nicht gewusst hätte, was ihn dort erwartete. Auf einem großen Schwenkgrill brutzelten Steaks, und an Tischen und Bänken saßen mindestens tausend Jahre Zuchthaus. Einer der Männer, ein bulliger Hüne mit akkurat ausrasiertem Bart und Kopftuch, erhob sich von seinem Platz im Schatten und kam auf ihn zu.
»Avvocato« , sagte er mit rauer Bassstimme und schloss ihn kurz und heftig in seine muskulösen Arme, die von den Schultern bis zu den Fingerspitzen tätowiert waren. »Herzlich willkommen.«
»Hey, Bernd.« Er grinste. »Schön, dich wieder mal zu sehen. Es ist sicher zehn Jahre her, dass ich hier war.«
»Selbst schuld, dass du nie vorbeikommst. Der Laden läuft richtig gut.«
»Du warst ja schon immer ein begnadeter Schrauber.«
»Allerdings. Und ich hab ’n paar richtig gute Jungs.« Bernd Prinzler zündete sich eine Zigarette an. »Haste schon was gegessen?«
»Danke. Ich habe keinen Hunger.« Allein der Geruch nach gebratenem Fleisch drehte ihm den Magen um. Außerdem war er nicht zum Essen fünfzig Kilometer die Landstraßen entlanggeknattert. Die erwartungsvolle Spannung, die er seit Bernds Anruf gestern Abend nur mühsam unter Kontrolle gehalten hatte, zuckte in ihm empor und ließ sein Herz rascher schlagen. So lange hatte er darauf gewartet! »Du hast am Telefon gesagt, du hättest was Neues für mich?«
»Yep. Jede Menge. Wirst staunen.« Der Hüne kniff die Augen zusammen. »Kannst es nicht abwarten, he?«
»Ehrlich gesagt: nein«, gab er zu. »Ich hab ja auch lang genug drauf warten müssen.«
»Na, dann komm.« Bernd legte ihm den Arm um die
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