Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
erst einmal einen konkreten Verdacht haben.«
»Sind wir dann so weit durch?« Pia warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich hab heute einen halben Tag Urlaub.«
»Ja, das war es für heute.« Bodenstein nickte. »Aber seid bitte erreichbar, für den unwahrscheinlichen Fall des Falles.«
Alle nickten, die Besprechungsrunde löste sich auf. Kai schnappte sich die Ermittlungsakte, klemmte den Laptop unter den Arm und folgte Cem und Kathrin über den Flur.
»Wir müssen dann auch los«, sagte Dr. Engel.
Bodenstein wandte sich um.
»Wohin?«, fragte er erstaunt.
»In meinem Kalender steht, dass du heute um vierzehn Uhr die Befragung im LKA hast«, erwiderte sie und musterte ihn. »Hast du das vergessen?«
»Verdammt, ja.« Bodenstein schüttelte den Kopf. Um achtzehn Uhr hatten Cosima und er den Notartermin mit den Käufern des Hauses, den man bereits aus Rücksicht auf die Ermittlungen auf den frühen Abend gelegt hatte. Länger als eine Stunde würde die alberne Befragung wohl hoffentlich nicht dauern.
Frank Behnke hatte nach dem Zusammenstoß mit Bodenstein vor zwei Wochen sein provisorisches Inquisitionsgericht in einem der Nachbarbüros aufgelöst und sich unverrichteter Dinge ins LKA zurückgezogen. Allerdings war bereits zwei Tage später eine offizielle Vorladung auf Bodensteins Schreibtisch geflattert. Anhörung mit Stellungnahme zur Einstellung der polizeilichen Ermittlung im Fall einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Herrn Friedhelm Döring am 7. September 2005 wegen des Verdachts der Nichtverfolgung von Straftaten bzw. der Strafvereitelung im Amt. »Warum willst du mitfahren?«, erkundigte Bodenstein sich bei seiner Chefin, als sie den Flur entlanggingen. »Das ist doch sowieso die reinste Zeitvergeudung.«
»Ich lasse nicht zu, dass gegen einen meiner Kommissariatsleiter ein solcher Verdacht ausgesprochen wird«, entgegnete sie. »Behnke führt einen persönlichen Rachefeldzug, und ich habe vor, ihn bei Bedarf an etwas zu erinnern.«
*
»Grüß dich, Hanna.« Wolfgang erhob sich von seinem Schreibtisch und kam ihr mit einem Lächeln entgegen. »Wie schön, dich zu sehen.«
»Hallo, Wolfgang.« Sie ließ sich von ihm auf die Wangen küssen. »Danke, dass du so kurzfristig Zeit für mich hast.«
»Na, du hast mich ja auch richtig neugierig gemacht«, entgegnete er und bot ihr einen Platz am Besprechungstisch an. »Möchtest du etwas trinken?«
»Nein, danke.« Hanna hängte ihre Tasche über die Stuhllehne und rieb sich mit den Handflächen über ihre nackten Oberarme. »Höchstens einen Glühwein.«
In dem großen Büro herrschte dämmeriges Zwielicht, und die Klimaanlage produzierte eine Kälte, die sie frösteln ließ.
»Dich muss doch der Schlag treffen, wenn du hier rauskommst! Draußen sind es fünfunddreißig Grad.«
»Bis ich aus dem Büro komme, ist es elf Uhr. Dann ist es nicht mehr so heiß.« Wolfgang lächelte und nahm ihr gegenüber Platz. »Du hast dich lange nicht mehr gemeldet.«
Ein leiser Vorwurf schwang in seiner Stimme mit, und Hanna bekam prompt ein schlechtes Gewissen.
»Ich weiß, ich habe mich wie eine treulose Tomate benommen. Aber dafür gibt es einen Grund.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich bin per Zufall auf diese Wahnsinnsstory gestoßen. Ein echter Hammer. Aber sie ist so unglaublich, dass ich zuerst mit ein paar Leuten sprechen musste, bevor ich das alles glauben konnte. Ich schwöre dir, das wird richtig groß! Und am liebsten möchte ich mit dem Thema in die erste Sendung nach der Sommerpause gehen, dann können wir es Wochen vorher groß ankündigen, bis halb Deutschland um Punkt 21:30 vor der Glotze hockt.«
»Du glühst ja richtig vor Begeisterung«, stellte Wolfgang fest. Er legte den Kopf schief und lächelte. »Steckt da mehr hinter, als du mir erzählst?«
»Unsinn!« Hanna stieß ein kurzes Lachen aus, das selbst in ihren Ohren etwas zu gekünstelt klang. Wolfgang kannte sie wirklich verdammt gut, das vergaß sie immer wieder. »Aber so eine Riesenstory hatte ich noch nie an der Angel. Und das absolut exklusiv.«
Die Krise, die Norman mit seinem unbedachten Geschwätz heraufbeschworen hatte, hatte sie souverän gemeistert und mit ihrer öffentlichen Reue aus dem drohenden Imageverlust einen Sieg nach Punkten eingefahren. Der Sender und die Aktionäre waren zufrieden gewesen, sie hatte einen tüchtigen neuen Producer gefunden und das Geschehene abgehakt und verdrängt. Ihr Auto war nach drei Tagen wie neu aus der Lackiererei gekommen,
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