Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Mutter vorgegangen war, ärgerte Meike. Hanna tat geheimnisvoll, sagte niemandem, wohin sie ging oder wo sie gewesen war, nicht einmal Irina wusste etwas. War »K«, der die Mutter gerne gesehen hätte, ihr Neuer? Und wer war BP , der Bescheid wusste?
Meike warf einen Blick auf ihr Handy. Es war erst kurz nach elf. Mehr als genug Zeit, um mal schnell nach Langenselbold zu fahren und nachzuschauen, was sich hinter dieser Adresse verbarg.
*
Bodenstein drückte auf den Türöffner und trat in die Schleuse. Er nickte dem wachhabenden Beamten zu, der im Wachraum hinter einer Panzerglasscheibe saß und ihn hinausließ. Pia wartete bereits im Auto mit laufendem Motor. Er stieg ein und atmete auf. Sie hatte einen Dienstwagen mit Klimaanlage ergattert, und es war angenehm kühl im Innern des Autos.
»Weißt du schon mehr?«, erkundigte Bodenstein sich und angelte nach dem Gurt.
»Weibliche Leiche im Kofferraum hat es geheißen«, antwortete Pia. Sie bog nach links ab Richtung Autobahn. »Hat es gestern bei dir noch mit dem Notartermin geklappt?«
»Ja. Das Haus ist verkauft.«
»War es schlimm?«
»Erstaunlicherweise nicht. Vielleicht wird es das noch, wenn wir ausräumen. Aber da es mit dem Haus in Ruppertshain klappt, fällt der Abschied leichter.« Bodenstein dachte an sein Zusammentreffen mit Cosima gestern Abend in der Kanzlei des Notars in Kelkheim. Zum ersten Mal seit ihrer unschönen Trennung vor knapp zwei Jahren hatte er sie ansehen und mit ihr ganz sachlich reden können, ohne dass das irgendetwas in ihm berührt hätte. Da waren keine Gefühle mehr, weder gute noch böse, die er für die Mutter seiner drei Kinder, mit der er über die Hälfte seines Lebens verbracht hatte, empfand. Erschreckend und erleichternd zugleich. Doch vielleicht war das die Basis, auf der sie sich in Zukunft begegnen konnten.
Auf der Fahrt nach Weilbach berichtete er Pia von der Anhörung im LKA und Behnkes Niederlage. Das schrille Klingeln von Pias Handy unterbrach ihn und nahm ihm damit die Entscheidung ab, ob er seiner Kollegin vom Showdown auf dem Flur im LKA zwischen Behnke und Nicola Engel erzählen sollte oder besser nicht.
»Kannst du bitte mal drangehen?«, bat Pia. »Es ist Christoph.«
Bodenstein nahm das Gespräch entgegen und hielt Pia das Telefon ans Ohr.
»Ich weiß leider nicht, wie spät es heute wird. Wir haben gerade etwas Neues reinbekommen und sind eben auf dem Weg«, sagte sie. »Hm … ja … Grillen ist doch prima. Es ist noch Nudelsalat im Kühlschrank, aber wenn du sowieso einkaufen gehst, dann denk doch bitte an Waschpulver, das hab ich vergessen aufzuschreiben.«
Ein typisches Beziehungsalltagsgespräch, wie Bodenstein es früher so oft mit Cosima geführt hatte. In den vergangenen zwei Jahren seines privaten Ausnahmezustandes hatte er diese Vertrautheit oft vermisst. Sosehr er sich auch einzureden versuchte, die Freiheit, die er nun hatte, sei eine aufregende neue Chance, so sehr sehnte er sich in seinem tiefsten Innern nach einem echten Zuhause und einem anderen Menschen, mit dem er sein Leben teilen konnte. Er war nicht für ein dauerndes Alleinsein geschaffen.
Pia hörte eine Weile zu, brummte hier und da zustimmend, doch auf einmal lächelte sie auf eine Weise, wie Bodenstein sie nur selten hatte lächeln sehen.
»Alles klar«, beendete sie das Gespräch. »Ich melde mich später.«
Bodenstein schaltete das Telefon aus und legte es auf die Mittelkonsole.
»Was strahlst du denn so?«, erkundigte er sich neugierig.
»Ach, die Kleine«, erwiderte Pia leichthin, ohne ihn anzusehen. »Die ist schon goldig. Was die manchmal so von sich gibt.«
Sie wurde wieder ernst. »Beinahe schade, dass sie bald schon wieder wegmuss.«
»Das hat sich vor ein paar Tagen noch ganz anders angehört«, sagte Bodenstein belustigt. »Du warst total genervt und hast die Tage bis zu ihrer Abreise im Kalender abgestrichen.«
»Stimmt. Aber wir haben uns mittlerweile zusammengerauft, Lilly und ich«, gab Pia zu. »So ein Kind im Haus verändert wirklich alles. Vor allen Dingen habe ich unterschätzt, welche Verantwortung man plötzlich hat. Manchmal ist sie so selbständig, dass ich vergesse, wie schutzbedürftig sie eigentlich noch ist.«
»Da hast du recht.« Bodenstein nickte. Seine jüngste Tochter wurde im Dezember vier, und wenn sie jedes zweite Wochenende oder auch mal unter der Woche bei ihm war, merkte er immer wieder aufs Neue, wie viel Aufmerksamkeit ein so kleines Kind beanspruchte, aber wie viel
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