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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Asterix’ Box unter die Futterkrippe und schaute dem Schimmel zu, wie er genüsslich sein Heu kaute.
    »Hey«, ertönte plötzlich Gabys Stimme direkt über ihrem Kopf. »Du bist ja noch da! Jetzt aber flott, sonst musst du heute Nacht im Stall bleiben.«
    Sie hätte nichts dagegen gehabt. Hier fühlte sie sich sicher. Hier waren die Alpträume ganz weit weg. Gaby öffnete die Box und kam herein.
    »Was ist denn mit dir, hm? Soll ich dich schnell heimfahren?« Die Voltigierlehrerin ging vor ihr in die Hocke und sah sie an. »Draußen ist es schon fast dunkel. Deine Eltern machen sich doch sicher Sorgen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Bei dem Gedanken daran, nach Hause zu gehen, wurde ihr übel vor Angst, aber sie durfte nichts sagen, es war ein Geheimnis, von dem sie niemandem etwas erzählen durfte, das hatte sie Papa fest versprochen. Aber letzte Nacht hatte sie wieder so schlimm geträumt und solche Angst vor den Wölfen gehabt. Denn die würden kommen und sie fressen, wenn sie mit jemandem über das Geheimnis redete, das hatte Onkel Richard erst neulich zu ihr gesagt. Vor lauter Angst hatte sie sich nicht getraut, aufs Klo zu gehen, und hatte ins Bett gemacht. Deshalb war Mama heute Morgen richtig böse geworden, und ihre Geschwister hatten über sie gelacht.
    »Ich will nicht heimgehen«, sagte sie leise.
    »Warum denn nicht?« Gaby sah sie forschend an.
    »Weil … weil … mein Papa tut mir immer so weh.«
    Sie traute sich nicht, die junge Frau anzuschauen, wartete voller Anspannung darauf, dass jetzt, wo sie ihr Versprechen gebrochen hatte, etwas Schreckliches geschehen würde. Aber nichts passierte, und sie wagte, den Kopf zu heben. Gaby war so ernst, wie sie sie noch nie gesehen hatte.
    »Wie meinst du das?«, fragte sie. »Was macht er denn?«
    Der Mut löste sich in Nichts auf, sie traute sich nicht, noch mehr zu sagen, aber plötzlich hatte sie eine Idee.
    »Kann ich nicht vielleicht mit zu dir nach Hause gehen?«, fragte sie. Gaby mochte sie, sie war stolz auf ihre beste Schülerin, wie sie immer sagte. Zusammen mit ein paar anderen Mädchen war sie schon mal bei der Voltigierlehrerin zu Hause gewesen; sie hatten Fotos von Pferden angeschaut und Kakao getrunken. Gaby war erwachsen und hatte nie vor irgendetwas Angst. Sie würde sie vor den Wölfen beschützen.
    »Das geht leider nicht«, erwiderte Gaby zu ihrer Enttäuschung. »Aber ich kann dich nach Hause bringen und mal mit deiner Mama sprechen.«
    Sie blickte Gaby an und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.
    »Aber der böse Wolf«, flüsterte sie.
    »Welcher böse Wolf?« Gaby richtete sich auf. »Hast du vielleicht schlecht geträumt?«
    Enttäuscht senkte sie den Kopf und stand auf. Gaby wollte sie in den Arm nehmen, aber sie machte sich los.
    »Tschüs, Asterix«, sagte sie zu dem Pferd, dann trat sie aus der Box und verließ den Stall, ohne noch etwas zu sagen. Erst jetzt kam die Angst, die Tränen brannten hinter ihren Augenlidern wie Feuer. Was, wenn die Wölfe jetzt Gaby etwas antun würden, nur weil sie nicht den Mund gehalten und ihr von dem Geheimnis erzählt hatte?

Freitag, 25. Juni 2010
    »Ihr Handy ist immer noch aus. Und ans Festnetz geht sie auch nicht.«
    Meike blickte in die Runde und sah ratlose und besorgte Gesichter. Seit einer halben Stunde saßen die neun Mitarbeiter der Herzmann production GmbH um den ovalen Tisch im Konferenzraum herum, schütteten literweise Kaffee in sich hinein und wurden immer wuschiger. Wie eine Schafherde ohne Oberschaf, dachte sie spöttisch.
    »Hast du ihr mal eine SMS geschrieben?«, fragte Irina Zydek, die seit Ewigkeiten Hannas Assistentin war und quasi zum Inventar des Ladens gehörte. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie einen Narren an Hanna gefressen, obwohl die sie nicht besonders nett behandelte. Im Laufe der Jahre hatte sie mit stoischer Gelassenheit eine nicht abreißende Kette von Ehemännern, Verehrern, Liebhabern, Geschäftsführern, Producern, Produktionsassistenten, Redakteuren, Volontärinnen und Controllern kommen und gehen sehen. Wer sich mit ihr nicht gutstellte, hatte nicht den Hauch einer Chance, an die große Hanna Herzmann heranzukommen. Irina war loyal bis zur Selbstaufgabe, und auch wenn sie äußerlich wie eine graue Maus aussehen mochte, so war sie innerlich ein Cerberus, eisenhart und unbestechlich.
    »Wie soll sie die wohl lesen, wenn ihr Handy aus ist?«, entgegnete Meike. »Sie hat einfach verschlafen. Oder der Akku ist leer.«
    Irina stand auf, ging zum Fenster

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