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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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drücke er den Kopf des Sohnes nach unten, wie um ihn auf seinem Platz zu halten. Der Blick des Sohnes war anders. Er war vielleicht zehn Jahre alt, ebenso blond und blauäugig, aber die Augen schienen kaum etwas wahrzunehmen. Wenn man näher hinsah, konnte man eine völlige Abwesenheit erkennen, als sei er nur eine leere Hülle.
    »Das hier ist K.«, sagte Hjelm. »Alle beide.«
    Endlich trat er aus seinem manischen Zustand heraus, legte das ganze dramatische Kostüm ab und wurde wieder Polizist. Er räusperte sich und sagte: »Was geschah mit Jennings' Familie nach seinem Tod?«
    »Sie wohnten noch ein paar Jahre dort. Dann nahm sich die Frau das Leben. Der Junge kam in ein Heim und später zu Pflegeeltern.«
    »Wie alt war der Kleine?«
    »Er war elf, meine ich, als Jennings starb.«
    »Er muß es gesehen haben.«
    »Wovon reden Sie?«
    Hjelm fuhr sich ein paarmal mit der Hand durchs Haar und sammelte sich. »Er muß es gesehen haben. Er muß seinen Vater bei der Arbeit gesehen haben.«
    Er atmete tief durch und fuhr fort: »Das hier erklärt den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Serie, und es erklärt auch, warum er nach Schweden ging. Die erste Serie war Jennings' Werk, genau wie Sie es die ganze Zeit geglaubt haben, Ray. Es sind Hinrichtungen, professionelle Jobs, warum, darauf kommen wir später zurück. Aber die zweite Serie ist das Werk eines schwer gestörten Menschen. Das Werk des Sohnes. Er muß seinen Vater bei einer Folterung überrascht haben, ungefähr im Alter von neun oder zehn Jahren. Das hat ihn zerstört, wie sollte es auch anders sein. Wir müssen annehmen, daß das nur der Höhepunkt einer höllischen Kindheit mit Mißhandlungen und Eiseskälte und der ganzen Chose war. Als der Vater stirbt, behält er die Zangen, er hat gesehen, wie der Vater damit die schlimmsten nur denkbaren Alptraumtaten ausgeführt hat, und jede kleine Bewegung hat sich eingebrannt. Sie werden zu Schätzen, obwohl er nicht weiß, was er damit anfangen soll, er ist kein Mörder, er ist ein Ermordeter. Dann, vor ein paar Jahren, passiert etwas. Ich tippe, daß er auf irgendeine Weise erfährt — daß sein Vater lebt. Ich bin überzeugt davon, daß Wayne Jennings am Leben ist, daß es ihm gelungen ist, diesen Autounfall zu türken, was einige Unterstützung verlangte, und es besteht kein Zweifel daran, daß er eine Menge Unterstützung hatte. Er taucht unter und begeht noch ein paar Morde, hauptsächlich, glaube ich, um Sie, Ray, für Ihre Hartnäckigkeit zu bestrafen und um sozusagen posthum seine Unschuld zu beweisen. Mord Nummer siebzehn und achtzehn führen dazu, daß Sie vor Gericht landen. Dann verläßt Jennings das Land. Die Mordwelle hört auf. Jennings' sogenannte Witwe nimmt sich das Leben. Entweder wußte sie schon, daß ihr Ehemann der Kentuckymörder war, hat es die ganze Zeit gewußt und kann es nicht mehr ertragen, oder sie erfährt es jetzt und bringt sich aus Verzweiflung um. Als dann der Sohn als Erwachsener plötzlich erfährt, daß sein Vater lebt, begreift er, daß sogar der Tod der Mutter das Werk des Vaters war, und außerdem gibt es plötzlich einen konkreten Schuldigen für sein eigenes Leid. Kaputt ist er schon, jenseits aller Hoffnung, und jetzt wird er auch zum Mörder. Seine Tat ist eine Wahnsinnstat, er reagiert sich ab oder mordet aus Lust, das wissen wir nicht, aber er übt auch, bereitet sich auf den richtigen Mord vor, den einzigen, den Vatermord. Irgendwie erfährt er, daß sich sein Vater im Ausland aufhält – in Schweden –, und beschließt, Jagd auf ihn zu machen. Er hat eine gute Adresse in Schweden, eine abgelegene Hütte einige Kilometer nördlich von Stockholm. Dorthin begibt er sich mit falschem Paß und bereitet sich vor. Was danach passiert, ist unklar – aber wir haben also nicht nur einen, sondern zwei Kentuckymörder in Schweden.«
    Larner sank auf einen Stuhl, schloß die Augen und dachte nach. »Ich kann mich so gut an den Jungen erinnern«, sagte er langsam. »Er wirkte ziemlich gestört, da haben Sie ganz recht. Saß immer auf Mamas Schoß, sagte nie einen Ton, wirkte fast autistisch. Und das würde einiges erklären. Was sagst du, Jerry?«
    Schonbauer setzte sich auf den Schreibtisch und baumelte mit den Beinen, offensichtlich seine Denkerpose. Eine Weile schwieg er und baumelte, während der Tisch beunruhigend knackte. »It's a long shot«, sagte er. »Aber es könnte einen Versuch wert sein.«
    »Es kann auch ganz leicht sein«, sagte Kerstin. »Haben

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