Böses Blut
Sie ein Telefonbuch?«
Leise lachend warf Larner ein enormes Telefonbuch auf den Schreibtisch. Kerstin blätterte hektisch. Dann riß sie ohne Pardon eine Seite heraus. »Es gibt nur einen einzigen Lamar Jennings in New York«, sagte sie. »In Queens.«
»Let's go«, sagte Larner nur.
Auf dem Weg zum Wagen machten sie einmal halt. Larner führte sie in einen Raum mit vierfachem Sicherheitsschloß und dreifachem Kartencode. Aus einem großen Metallschrank holte er zwei komplette Achselhalfter und warf sie den Schweden zu: »Ausnahmegenehmigung«, sagte er und verließ den Raum. Sie schnallten sich die Halfter um für eine Reise ins Herz der Finsternis und folgten ihm.
Es war ein nichtssagendes Mietshaus, hineingepreßt in eine unüberschaubare Reihe identischer Häuser in einem festungsähnlichen Häuserblock an einer Querstraße des breiten Northern Boulevard in Queens. Ärmlich, aber nicht verfallen. Slum, aber nicht Ghetto. Das Treppenhaus war dementsprechend dunkel und schäbig. Diverses Gerümpel lag auf der Treppe verstreut. Es hatte lange niemand mehr saubergemacht.
Sie gingen nach oben, Stockwerk um Stockwerk. Es wurde immer dunkler und immer wärmer. Das Treppenhaus badete in einer stehenden, staubtrockenen Hitze. Der Schweiß lief.
Schließlich standen sie vor einer Tür in einer langen Reihe. Sie trug das vollkommen unscheinbare Namensschild Jennings.
Sie zogen alle vier ihre Waffen. Ihre Kiefer waren angespannt, sie hielten den Atem an. Sie fürchteten mehr um das Wohl ihrer Seelen als um das ihrer Körper. Sie waren auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Welch grobe Verzerrungen menschlichen Lebens würden ihnen dort drinnen begegnen?
Schonbauer klingelte. Keine Antwort, nichts rührte sich. Er drückte vorsichtig den Türgriff herunter. Abgeschlossen. Er sah Larner an, der leicht nickte. Dann trat er die Tür ein, so daß die Splitter stoben. Ein Tritt war genug. Er stürzte hinein, die anderen folgten wie hinter einem riesigen Schild.
Es war niemand da. Das karge Licht, das ihnen durch die zertretene Tür folgte, war das erste, das seit langem in den Raum fiel. Es ließ ihn langsam in seiner verblüffenden Leere hervortreten. Er war nackt, leer, feucht. Die Luft stand heiß. Staubkörner schwirrten in enormen Pirouetten herum. Keine aufgespannten Menschenköpfe an den Wänden, keine verwesten Köpfe, die auf Pfählen steckten, nicht die geringsten Teufelszeichen, nur eine vollkommen kahle Einzimmerwohnung mit Schreibtisch und Bett. Eine leere Kochecke und eine leere Toilette. Ein heruntergezogenes schwarzes Rollo vor dem einzigen Fenster.
Larner ließ es hochschnellen. Die Sonne schickte ihre ungefilterten Strahlen herein, und das fast obszöne Licht entblößte einige wenige Anzeichen von Leben, das Erbe Lamar Jennings.
Hjelm trat zum Schreibtisch und untersuchte das einzige, was auf der kahlen Fläche lag: halb verbranntes Papier mit einem Haufen Asche, der sich in das Holz hineingefressen hatte. Es wirkte wie die Spur einer abschließenden Handlung; vielleicht hatte er vorgehabt, die Wohnung anzuzünden. Ein Abschiedsbrand. Er streckte die Hand zu den Papierresten im Aschehaufen aus.
»Rühren Sie nichts an«, sagte Larner, nahm ein Paar Plastikhandschuhe aus der Tasche und zog sie sich über. »Sie sind noch immer Beobachter. Jerry, checkst du die Nachbarn?«
Schonbauer trollte sich. Larner betrachtete den Aschehaufen.
»Wollte er ein Feuer legen?« fragte Hjelm.
»Ich glaube, er hat überhaupt nicht daran gedacht«, sagte Larner und berührte die Papierreste leicht. »Etwas Greifbares für die Spurensicherung. Darf keinen Mikromillimeter bewegt werden.«
Er zog ein Mobiltelefon aus der Jackentasche und gab eine Nummer ein. »Spurensicherung, erste Truppe«, sagte er kurz. »147 Harper Street, Queens, acht Treppen. Sofort.«
Er beendete das Gespräch, steckte das Telefon wieder in die Tasche und fuhr fort: »Gehen Sie rüber auf die andere Seite des Schreibtischs, vorsichtig. Jeder kleine Lufthauch kann ein Wort kosten.«
Hjelm bewegte sich sachte zurück. Larner zog die oberste Schreibtischschublade heraus. Dort lag ein einziger Gegenstand. Aber das war mehr als genug. Larner zuckte leicht zurück und schüttelte den Kopf. Mit fast lächerlicher Überdeutlichkeit kam ein Porträt von Wayne Jennings zum Vorschein, jugendlich lächelnd. In seinem Hals steckte eine Heftzwecke, mit der das Foto in der Schreibtischschublade festgenagelt war wie ein präparierter Schmetterling.
»Das
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