Böses Blut
Freundinnen am sechsten, mit Paula, Petronella und Priscilla, um genau zu sein. AJ war eine Weiterbildung im Außenminsterium, Auslandsjournalistik. Aber jetzt reicht es doch wohl.«
»KT?« Er blieb hartnäckig.
»Klassentreffen«, sagte sie. »Ich treffe meine ehemalige Klasse vom Gymnasium.«
»S und Bro?« sagte er in exakt dem gleichen Tonfall.
Sie sah aus, als sei sie vom Blitz getroffen. »Das gibt es nicht«, sagte sie und versuchte, die Ruhe zu bewahren.
Er reichte ihr elegant den Filofax zurück. »S zu sporadischen Abendzeiten, Bro jeden Dienstag zu unterschiedlichen Zeiten«, sagte er mit ritterlichem Lächeln.
»Jetzt phantasieren Sie«, sagte sie.
»Es war ja mit Kugelschreiber geschrieben, also mußten Sie loslaufen und einen völlig neuen Filofax kaufen, um die Seiten mit S und Bro zu ersetzen. Was heißt S, und was heißt Bro?«
»Sie hatten kein Recht, in meinen Sachen herumzuwühlen«, sagte sie, dem Weinen nahe. »Ich habe meinen Mann verloren.«
»Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich habe durchaus das Recht. Es handelt sich um einen Mordfall von enormer Tragweite. Reden Sie jetzt mit mir.«
Sie schloß die Augen. Und schwieg.
»Diese Wohnung gehört Ihnen«, sagte er ruhig. »Sie wurde vor zwei Jahren gekauft, und Sie haben vier Komma zwei Millionen in bar bezahlt. Sie besitzen auch eine Wohnung in Paris für zwei Millionen, ein Sommerhaus auf Dalarö für zwei Komma sechs Millionen, zwei Autos für siebenhunderttausend, und Sie verfügen über ein Barvermögen von insgesamt achtzehn Komma drei Millionen Kronen. Sie sind achtundzwanzig Jahre alt und verdienen im Außenministerium monatlich einunddreißigtausend. Dazu kommen natürlich ordentliche Spesen, wenn Sie im Ausland sind. Sie kommen aus einer einigermaßen wohlhabenden Familie, aber keiner reicht an Ihre Summen heran. Können Sie das erklären? Wie haben Sie es Eric erklärt?«
Sie blickte auf. Ihre Augen waren gerötet, aber sie weinte nicht, noch nicht. »Eric akzeptierte es, ohne zu fragen. Meine Familie ist reich, sagte ich, und damit gab er sich zufrieden. Das sollten Sie auch tun. Er war zufrieden mit allem, was hier im Leben ein bißchen Freude schenkt. Gut angelegtes Geld. Geld, das sich vermehrt. Hat man ein Vermögen, dann arbeitet es für einen. Es ist Geld, das in diesem Land Geld verdient, das müssen Figuren wie Sie auch akzeptieren.«
»Das tue ich nicht«, sagte Söderstedt, ohne den Tonfall zu verändern.
»Das sollten Sie aber besser!« schrie sie.
»Was bedeutet S und Bro?« sagte er.
»Bro bedeutet Bro!« schrie sie. »Jeden Dienstag habe ich einen Mann namens Herman in Bro getroffen. Wir haben gefickt. Okay?«
»Hat das Eric auch ein bißchen Freude im Leben geschenkt?«
»Hören Sie auf!« schrie sie. »Glauben Sie nicht, daß ich deswegen Gewissensbisse genug hatte? Er wußte davon, und er hat es akzeptiert.«
»Und S?«
Sie starrte ihn mit wildem Blick an und krümmte sich zusammen. Hatte er sie zu hart angefaßt?
»Da jogge ich«, sagte sie ruhig und atmete aus. »Das sind meine Joggingzeiten. Ich arbeite so viel, daß ich mein Jogging einplanen muß.«
»S wie in Jogging?«
»S wie in Stretching. Das Stretchen dauert länger als das Joggen.«
Er sah sie belustigt an. »Sie planen Ihr Stretching ein? Und Sie wollen, daß ich das glaube.«
»Ja.«
»Und das Geld?«
»Erfolgreiche Börsenspekulation. In Schweden kann man wieder Geld verdienen, Gott sei Dank.«
»Und es hat nichts mit zwielichtigen arabischen Geschäften zu tun?«
»Nein.«
»Ausgezeichnet. Seit einer Viertelstunde stehen Sie unter Bewachung durch die Schutzeinheit des Reichskriminalamts. Wir sind der Meinung, daß Sie in Lebensgefahr schweben.«
Sie starrte den hinterhältigen Finnen haßerfüllt an. »Schutz oder Überwachung?« fragte sie mit erkämpfter Ruhe.
»Wählen Sie selbst«, sagte Arto Söderstedt und verabschiedete sich.
Es hätte ein bißchen besser gehen können, aber er war dennoch zufrieden.
Jorge Chavez hatte an die hundert Wagen ad acta gelegt und konzentrierte sich jetzt auf einen einzigen. Es war ein Vabanquespiel. Die nicht existierende Firma hieß Konditori Havreflarnet, was sich harmlos anhörte und sich gerade deshalb außerordentlich gut zur Tarnung eignete. Sie sollte in der Fredsgata in Sundbyberg liegen, doch da gab es keine verdammte Konditorei, nur ein stinknormales, tristes Konsum.
Er arbeitete sich mit gewohnter Intensität durch die Firmenkartei des Gewerbeaufsichtsamts, und
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