Böses Herz: Thriller (German Edition)
Der Computer brauchte eine halbe Ewigkeit, bis er hochgefahren war. Sie starrte auf den Monitor, in dem sie ihr verschwommenes Spiegelbild erkannte, und spürte dabei genau, wie dicht er hinter ihr stand. Er verströmte den Geruch des Sumpfes und strahlte Körperwärme und ein deutliches Gefühl der Bedrohung aus.
Aus dem Augenwinkel konnte sie seine Hand erkennen. Die Finger lagen entspannt auf seinem Schenkel. Trotzdem war ihr klar, dass sie ihr das Leben aus dem Leib pressen konnten, wenn er sie um ihre Kehle legte. Bei der Vorstellung, sie könnten sich um Emilys süßen, weichen Hals schließen, wurde ihr übel.
»Danke, Mr. Coburn«, flüsterte sie.
Ein paar Sekunden verstrichen, bevor er fragte: »Wofür?«
»Dafür, dass Sie Emily nichts getan haben.«
Er sagte nichts.
»Und dass Sie ihr die Pistole nicht gezeigt haben. Dafür bin ich Ihnen wirklich dankbar.«
Wieder verstrichen mehrere Sekunden. »Dem Kind Angst einzujagen würde nichts bringen.« Der Computer verlangte ein Passwort. Honor tippte es ein. Im Eingabefeld waren nur schwarze Punkte zu sehen.
»Moment«, unterbrach er sie, bevor sie auf Enter drücken konnte. »Löschen Sie das und tippen Sie es noch mal. Und zwar langsam.«
Sie pickte auf die jeweiligen Tasten.
»Wofür steht das R ?«
»Rosemary.«
»HR Gillette. Kein besonders originelles Passwort. Leicht zu erraten.«
»Ich habe nichts zu verbergen.«
»Das werden wir sehen.«
Er beugte sich über ihre Schulter und begann die Maus zu bewegen. Er arbeitete sich durch ihre Mails, selbst durch die im Papierkorb, und danach durch sämtliche Dokumente, die aber nichts enthielten, was irgendjemanden interessiert hätte, der nicht in die zweite Klasse ging.
Schließlich fragte sie höflich: »Möchten Sie sich vielleicht setzen?«
»Es geht schon.«
Für ihn vielleicht, für sie nicht. Er stand vornübergebeugt dicht hinter ihr und berührte dabei immer wieder ihren Rücken und ihre Schulter, oder sein Arm strich über ihren, wenn er mit der Maus hantierte.
Schließlich hatte er sich überzeugt, dass die geöffneten Dateien nichts für ihn Wichtiges enthielten. »Hatte Eddie auch ein Passwort?«
»Wir haben dasselbe benutzt und auch dieselbe E-Mail-Adresse.«
»Ich habe keine E-Mails an ihn oder von ihm gesehen.«
»Die wurden alle gelöscht.«
»Warum?«
»Weil sie Speicherplatz wegnahmen.«
Er sagte nichts, aber im selben Moment spürte sie ein leises Ziehen an ihrem Pferdeschwanz und begriff, dass er ihre Haare um seine Faust wickelte. Als er alle Haare gepackt hatte, drehte er ihren Kopf zu sich herum. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte, spürte sie seinen bohrenden Blick auf ihrem Scheitel.
»Augen auf.«
Nachdem sie eben erst überlegt hatte, wie stark diese Hände waren, schlug sie gehorsam die Augen auf. Sie befand sich auf Augenhöhe mit seiner Taille. Seinen Rumpf so dicht vor ihrem Gesicht zu haben, in fast intimer Nähe, war verstörend, und genau das hatte er wohl beabsichtigt. Er wollte ihr zweifelsfrei demonstrieren, wer hier das Sagen hatte.
Aber vielleicht konnte sie die Situation auch zu ihrem Vorteil nutzen. Ihre Nase war nur wenige Zentimeter von der Pistole entfernt, die sich unter seinem T-Shirt abzeichnete. Und sie hatte beide Hände frei. Konnte sie vielleicht …
Nein. Noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hatte sie ihn schon wieder verworfen. Eddie hatte ihr beigebracht, mit einer Pistole zu schießen, aber sie hatte sich nie mit dem Gedanken anfreunden können, eine Waffe zu benutzen. Mit Sicherheit würde Coburn ihr die Waffe aus der Hand schlagen oder entreißen, bevor Honor sie ihm aus dem Hosenbund ziehen und abfeuern konnte. Wenn sie das versuchte, würde sie ihn nur verärgern. Und was dann? Das wollte sie sich lieber nicht ausmalen.
Im nächsten Moment zog er ihren Kopf an ihrem Pferdeschwanz zurück, bis sie ihm ins Gesicht sehen musste. »Warum haben Sie die E-Mails Ihres Mannes gelöscht?«
»Er ist seit zwei Jahren tot. Warum sollte ich sie noch länger aufbewahren?«
»Es hätten wichtige Informationen darin stehen können.«
»Da standen aber keine.«
»Sagt sie und klingt dabei sehr selbstsicher.«
»Das bin ich auch«, fauchte sie. »Eddie wäre bestimmt nicht so unvorsichtig gewesen, wichtige Dinge per E-Mail zu besprechen.«
Er hielt ihren Blick fest, als wollte er abschätzen, wie ernst es ihr war. »Erledigen Sie auf diesem Computer auch Ihre Bankgeschäfte?«
»Nein.«
»Zahlen Sie Rechnungen
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