Böses Herz: Thriller (German Edition)
darüber?«
Sie schüttelte den Kopf, so gut es in seinem festen Griff ging. »Keiner von uns hat persönliche Geschäfte darauf erledigt.«
»Was ist mit seinem Computer in der Arbeit?«
»Der gehört dem Police Department.«
»Er wurde Ihnen nicht ausgehändigt?«
»Nein. Bestimmt benützt ihn inzwischen einer seiner Kollegen.«
Wieder sah er ihr lange ins Gesicht und schien dann zu dem Schluss zu kommen, dass sie die Wahrheit sagte. Er gab ihr Haar frei und trat einen Schritt zurück. Erleichtert stand sie auf und machte zwei Schritte von ihm weg in Richtung Tür. »Ich will nur kurz nach Emily sehen.«
»Sie bleiben hier.«
Sein Blick tastete den Raum ab und stockte unvermittelt, als ihm etwas auf der Kommode ins Auge fiel. Er durchquerte das Zimmer, griff nach dem gerahmten Bild und drückte es ihr in die Hand. »Wer ist da drauf?«
»Der Älteste ist Stan.«
»Eddies Vater? Für einen Mann seines Alters ist er aber gut in Form.«
»Er arbeitet daran. Neben ihm steht Eddie.«
»Und die beiden anderen? Die Zwillinge?«
»Fred und Doral Hawkins. Eddies beste Freunde.« Während sie mit dem Finger über das Glas im Rahmen strich, zauberte die Erinnerung ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Damals waren sie über Nacht zum Fischen aufs Meer gefahren. Als sie am nächsten Nachmittag wieder anlegten, stellten sie sich mit ihrem Fang auf dem Steg in Positur und ließen sich von mir fotografieren.«
»Ist dies das Boot, das Sie verkauft haben?«
»Nein, das war Dorals Charterboot. Der Hurrikan Katrina hat es zerstört. Inzwischen arbeitet Doral bei der Stadt. Fred ist bei der Polizei.«
Er sah sie scharf an und tippte dann auf das eingerahmte Bild. »Der Typ ist ein Bulle?«
»Er und Eddie hatten sich gemeinsam auf der Polizeiakademie angemeldet und gleichzeitig den Abschluss gemacht. Er …« Sie verstummte und wandte das Gesicht ab, doch er legte die Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen.
»Was?«, wollte er wissen.
Wozu sollte sie lang um die Sache herumreden? »Fred leitet die Suche nach Ihnen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er hat heute Morgen eine Pressekonferenz gegeben. Dabei hat er gelobt, Sie zu fassen und den sieben ermordeten Männern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«
Er brauchte eine Weile, um das zu verdauen, ließ dann ihr Kinn los und nahm ihr das Bild aus der Hand. Unter ihren entsetzten Blicken drehte er es auf den Rücken und begann die Klammern zu lösen, um es aus dem Rahmen zu holen.
»Was tun Sie da?«
»Wonach sieht es denn aus?«
Er hob die Deckplatte ab und fand darunter genau das, was sie schon vorher gewusst hatte: das Foto, eine feste Pappe und die Glasscheibe. Nachdenklich studierte er das Bild und das auf die Rückseite gedruckte Datum. »Das war ja ein richtiges Quartett.«
»Die drei Jungen freundeten sich schon in der Grundschule an. Stan zog die Hawkins-Zwillinge praktisch zusammen mit Eddie auf. Nach Eddies Tod waren mir die beiden eine große Hilfe. Sie haben sich mit Hingabe um mich und Emily gekümmert.«
»Ach ja?« Sein Blick wanderte über ihren Körper. »Das kann ich mir vorstellen.«
Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt für das, was er mit seinem Schmunzeln andeutete. Doch nachdem sie es für unter ihrer Würde hielt, sich moralisch vor jemandem zu rechtfertigen, an dessen Händen im wahrsten Sinn des Wortes Blut klebte, blieb sie stumm. Immerhin nahm sie ihm das Foto ab und legte es zusammen mit dem zerlegten Rahmen auf die Kommode zurück.
»Wie ist er eigentlich gestorben?«, fragte er. »Eddie. Wie ist er umgekommen?«
»Bei einem Autounfall.«
»Was ist passiert?«
»Man nimmt an, dass er einem Tier oder etwas anderem ausweichen wollte. Dabei verlor er die Kontrolle über den Wagen und prallte frontal auf einen Baum.«
»Er war allein?«
»Ja.« Wieder warf sie einen sehnsüchtigen Blick auf das Foto, auf dem das Lächeln ihres Mannes eingefangen war. »Er war auf dem Heimweg von seiner Schicht.«
»Wo liegt sein ganzes Zeug?«
Die Frage riss sie aus ihren bitteren Erinnerungen. »Wie bitte?«
»Sein Zeug. Sie haben doch bestimmt seine persönlichen Sachen aufbewahrt.«
Sie konnte kaum glauben, dass er nach diesem Wortwechsel so kaltschnäuzig sein konnte, Eddies Nachlass durchwühlen zu wollen, und sein Wunsch traf sie fast noch mehr als die Tatsache, dass er sie mit einer Pistole bedroht hatte. Sie stellte sich tapfer seinem kalten, gefühllosen Blick. »Sie gemeiner Mistkerl.«
Sein Blick wurde noch härter.
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