Böses Herz: Thriller (German Edition)
Möglichkeit aus seinen Gedanken zu verbannen. Als Eddies Witwe müsste ihr doch mehr als jedem anderen daran gelegen sein, seinen guten Namen zu bewahren, und sei es nur für Emily? Aber alles vor ihm deutete darauf hin, dass sie dem Mann, der Eddies Ruf um jeden Preis in den Dreck ziehen wollte, beigestanden hatte.
Ihr Verrat traf Stan ins Mark. Er musste sie finden und zur Vernunft bringen, bevor sie einen nicht wiedergutzumachenden Fehler beging.
Dafür hatte er den ganzen Tag alle Hebel in Bewegung gesetzt. Er hatte sich im FBI-Büro zum Esel gemacht und Tom VanAllen angebrüllt, dem er noch weniger zutraute als diesem Deputy Crawford oder ihren jeweiligen Behörden. Wenn er Honor und Emily finden und sicher nach Hause bringen wollte, musste er selbst aktiv werden.
Er hatte überall gesucht, wo sie sich versteckt haben könnten. Er hatte Honors Kollegen aus der Schule, ihre Freunde und Bekannten angerufen, aber niemand hatte ihm weiterhelfen können. Selbst der Priester aus ihrer Kirchengemeinde hatte beteuert, er würde zwar für ihre und Emilys sichere Heimkehr beten, hätte aber nichts von ihr gehört. Bei jedem dieser Gespräche hatte Stan verbale Daumenschrauben angesetzt, und er war ziemlich sicher, dass er es gemerkt hätte, falls man ihn angelogen hätte.
Doral, der einen Mann vor Tori Shirahs Haus abgestellt hatte, teilte ihm mit, dass sie das Haus nicht mehr verlassen hätte, nachdem sie kurz nach Tagesanbruch die Zeitung hereingeholt hatte. Ihr Wagen stehe immer noch in der Auffahrt.
Stans Instinkt sagte ihm, dass Doral falschlag. Ihm fiel der Treffpunkt der beiden Mädchen außerhalb des Ortes ein, den Eddie ihm einst gezeigt hatte und den Honor irrtümlich für geheim hielt. Eddie hatte Stan damals beschämt gestanden, dass er Honor eines Nachts gefolgt war, als sie nach einem kurzen Telefonat unter einer fadenscheinigen und offenkundig gelogenen Erklärung das Haus verlassen hatte.
Aber Honors mysteriöse Irrfahrt hatte sie nur zu einem Baum geführt, unter dem Tori auf sie gewartet hatte. Eddie hatte damals über die ganze Geschichte gelacht und gemeint, diese heimlichen Treffen hätten wohl seit ihrer Schulzeit überdauert.
Gut möglich, dass die Tradition wieder zum Leben erweckt worden war.
Als Stan am Vortag mit Tori geredet hatte, hatte er den Eindruck bekommen, dass sie sichtlich aufgeregt und besorgt über Honors angebliche Entführung war. Er fragte sich, ob sie ihm etwas vorgespielt hatte. Oder ob Honor ihr in der Zwischenzeit einen Notruf geschickt hatte, den Tori ihm und der Polizei verschwieg.
Also war er auf Verdacht zu dem abgelegenen Treffpunkt gefahren. In den Jahren, seit Eddie ihm die Stelle gezeigt hatte, war die alte Holzbrücke noch baufälliger geworden. Die uralte Eiche schien ihre Äste inzwischen noch weiter zu spannen, die Wurzeln kamen ihm noch knorriger vor.
Schon auf den ersten Blick hatte Stan die relativ frisch aussehenden Reifenspuren bemerkt. Aber das allein sagte nichts aus. Vielleicht waren Honor und ihre Freundin nicht die Einzigen, die diesen malerischen Fleck für sich entdeckt hatten. Abgelegen, wie er war, eignete er sich perfekt für Teenager, die einen Platz zum Knutschen, Grasrauchen oder Schnapstrinken brauchten. Außerdem suchten die Scouts der Filmgesellschaften ständig die Gegend nach romantischen Szenerien für Außenaufnahmen ab.
Er wollte gerade wieder fahren und seine Suche woanders fortsetzen, als ihm ein paar in den Schlamm geritzte Zeichen ins Auge fielen. Von seinem Standpunkt aus standen sie auf dem Kopf, doch als er davor in die Hocke ging, stieß er leise zischend den Atem aus.
Die in den Schlamm gezogenen Buchstaben waren unterschiedlich groß und wackelig, aber durchaus lesbar:
EmiLy.
Noch auf der Rückfahrt in die Stadt hatte er Doral angerufen. »Du solltest deinem Wachposten mal ordentlich in die Eier treten. Tori Shirah ist längst nicht mehr zu Hause. Sie ist bei Honor und Emily.«
Sie hatten vereinbart, sich bei Stan zu treffen und zu besprechen, wie sie diese Shirah aufspüren könnten. Beide waren sicher, dass sie ihnen Honors Aufenthaltsort verraten würde, wenn sie sich nur genug bemühten.
In diesem Moment hörte Stan eine Autotür schlagen und kehrte durch die Küche in die Garage zurück. Doral stand auf der Auffahrt, die Hände in die Hüften gestemmt, den Blick auf den aufgeschlitzten Football gerichtet.
Als er Stan näher kommen hörte, drehte er sich um. »Dieser Hurensohn.«
»Milde gesagt. In meinem
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