Böses Herz: Thriller (German Edition)
werden.«
Es war ein ernüchternder Gedanke, der sie zum Schweigen brachte. Er hatte den gestohlenen Wagen in der Garage einer offen gelassenen Autowerkstatt geparkt, in der mehrere ausgeweidete Karosserien der Gnade der Elemente überlassen worden waren. Auf ihre Frage, woher er all diese Verstecke kannte, hatte er geantwortet: »Es ist mein Geschäft, so was zu wissen.«
Genauer hatte er sich nicht geäußert, aber sie hatte daraus geschlossen, dass er schon seit Langem diverse Fluchtrouten ausgearbeitet hatte, auf denen er verschwinden konnte, wenn es nötig werden sollte. So wie heute Nacht.
Über eine Stunde hatten sie in der stickigen Werkstatt gewartet, bevor er ihr Anweisungen zu geben begann. »Du bleibst hier«, erklärte er ihr. »Entweder bin ich um kurz nach zehn wieder zurück oder nicht. Wenn ich nicht komme, fährst du los. Du sammelst Emily ein und …«
»Und was?«, fragte sie, als er mitten im Satz verstummte.
»Das hängt von dir ab. Entweder rufst du deinen Schwiegervater oder auch Doral an. Du sagst ihnen, wo du steckst, und schlüpfst wieder unter ihre Fittiche. Wenigstens vorübergehend.«
»Oder?«
»Oder du fährst los, so weit dich dieser Wagen hier trägt. Und dann rufst du Hamilton an. Sag ihm, dass du ausschließlich mit ihm persönlich sprechen willst. Er wird dich abholen.«
»Warum kann ich nicht beides tun?«
»Weil ich am Montagmorgen bei dir zu Hause war. Inzwischen wünschte ich, ich hätte das nicht getan. Aber jetzt ist es zu spät. Also hast du es mir zu verdanken, dass der Bookkeeper und jeder auf seiner Gehaltsliste annehmen wird, du wüsstest etwas. Die andere Seite wird dasselbe annehmen. Du musst dich entscheiden, zu welchem Team du gehören willst.«
Sie sah ihn vielsagend an. »Das habe ich doch schon, oder?«
Er erwiderte lange ihren Blick, bevor er sagte: »Okay, gut. Hör zu.« Er gab ihr sein Handy, nannte ihr eine Festnetznummer und ermahnte sie, sich die Zahlen gut einzuprägen.
»Ist das die von Hamilton? Steht die nicht im Verzeichnis?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich lösche die Liste nach jedem Anruf. Du solltest das auch tun. Hast du dir die Nummer gemerkt?«
Sie wiederholte sie.
Danach ging er alles ein weiteres Mal durch und schärfte ihr noch einmal ein, niemandem zu vertrauen, ausgenommen möglicherweise Tori. »Bei ihr habe ich ein gutes Gefühl. Ich glaube nicht, dass sie dich verkaufen würde, trotzdem könnte sie dich versehentlich verraten.«
»Wie denn?«
»Wir haben es hier nicht mit irgendwelchen Schwachköpfen zu tun. Tori ist heute Morgen getürmt. Wenn diese Leute merken, dass sie nicht mehr zu Hause ist, werden sie misstrauisch. Dann werden sie ihre Fährte aufnehmen, weil sie hoffen, dass Tori sie zu dir führt.«
»Wieso glaubst du das?«
»Weil ich es so machen würde.«
Sie lächelte schwach, aber ihr Gehirn war vollauf damit beschäftigt, alles zu verarbeiten, was er ihr erklärte. »Was glaubst du, wie VanAllen reagieren wird, wenn du an meiner Stelle auftauchst?«
»Keine Ahnung. Ich werde es bald herausfinden. Vergiss nicht, wenn ich nicht um kurz nach zehn wieder da bin, bedeutet das, dass irgendwas schiefgegangen ist. Dann musst du von hier verschwinden.«
Nachdem er alles gesagt hatte, was es zu sagen gab, stieg er aus dem Wagen, fuhr mit den Händen durch eine alte Ölpfütze auf dem Garagenboden, in der sich allerlei Dreck angesammelt hatte, und schmierte sich den fettigen Film über Gesicht und Arme.
Dann setzte er sich noch einmal in den Wagen, überprüfte seine Pistole, um sicherzugehen, dass eine Kugel in der Kammer steckte, und schob sie wieder in den Hosenbund. Zuletzt reichte er ihr Freds Revolver. Er war groß und schwer und gefährlich.
Offenbar spürte Coburn ihren Widerwillen. »Er donnert wie eine Kanone und spuckt beim Schießen Flammen. Selbst wenn du damit nicht triffst, jagst du deinem Gegenüber einen höllischen Schrecken ein. Du darfst keine Sekunde zögern, den Abzug durchzudrücken, sonst bist du tot. Klar?«
»Klar.«
»Honor.«
Sie sah von der Pistole auf und ihn an.
»Sonst bist du tot«, wiederholte er mit Nachdruck.
Sie nickte.
»Du darfst keine Sekunde, keine Nanosekunde unaufmerksam sein. Merk dir gut, was ich dir jetzt sage: Du bist am verletzlichsten, wenn du dich am sichersten fühlst.«
»Ich werde es mir merken.«
»Gut.« Er holte tief Luft, atmete in einem Stoß wieder aus und sprach dann die Worte, vor denen sich Honor so fürchtete: »Ich muss los.«
»Es ist
Weitere Kostenlose Bücher