Böses Herz: Thriller (German Edition)
Mailwechsel wurden sichtbar. Als Nächstes öffnete er die eines anderen Absenders mit ähnlich zweideutigem Codenamen. Die Namen unterschieden sich, aber im Inhalt glichen sich die ekelerregenden Botschaften.
Er schleuderte das Smartphone auf das Sofa und sah sie gleichzeitig angewidert und fassungslos an.
Sie ließ den Kopf kurz hängen, dann warf sie ihn zurück und sah ihm direkt in die Augen. »Ich werde mich nicht dafür schämen, und ich werde mich auch nicht dafür entschuldigen.« Sie schleuderte ihm die Worte geradezu ins Gesicht. »Was führe ich denn für ein Leben tagein, tagaus«, fuhr sie ihn an. »Ich brauche weiß Gott etwas, um mich zu amüsieren. Es ist nur ein Zeitvertreib! Ziemlich schäbig und niveaulos, das gebe ich zu. Aber harmlos. Es hat nichts zu bedeuten.«
Er starrte sie an und fragte sich, wer diese Person eigentlich war. Sie trug Janices Gesicht, ihre Frisur, ihre Kleider. Aber sie war ihm vollkommen fremd.
»Mir bedeutet es sehr wohl etwas.« Er griff nach seinen Autoschlüsseln und stakste aus dem Zimmer, ohne sich darum zu kümmern, dass sie ihm nachlief und ihn aufzuhalten versuchte.
Offenbar hatte sie etwas in seiner Stimme gehört oder in seiner Miene entdeckt, das ihr Angst machte und das ihre trotzige Reaktion unterhöhlte. Denn das Letzte, was er von ihr hörte, waren die Worte: »Lass mich nicht allein!«
Dann knallte er die Haustür hinter sich zu.
Jetzt, Stunden später, hallten das Türknallen und ihr Flehen immer noch in seinen Ohren.
Er war so verflucht wütend gewesen. Erst Hamiltons Manipulationen. Dann die Entdeckung, dass seine Frau mit weiß Gott wem pornografische Texte austauschte. Mit irgendwelchen Perversen. Sexsüchtigen. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schlecht.
Aber sie zu verlassen? Es ihr allein zu überlassen, mit Lanny fertigzuwerden, wo sie ohne seine Hilfe höchstens ein paar Stunden durchhielt? Das konnte er einfach nicht. Er konnte sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen und sie allein lassen. Und selbst wenn er sie verlassen wollte, konnte er Lanny nicht im Stich lassen.
Im Grunde hatte er keine Ahnung, was er unternehmen sollte. Wahrscheinlich gar nichts.
Wenn er es genau betrachtete, schienen er und Janice auf die meisten ihrer Probleme zu reagieren, indem sie einfach gar nichts unternahmen. Inzwischen lebten sie ohne Freunde, ohne Sex und ohne jede Lebensfreude, weil keiner von beiden jemals etwas unternommen hatte, um die Erosion ihres Lebens aufzuhalten. Ihre »Sex-Mails« wären einfach ein weiterer Bereich ihres gemeinsamen Lebens, den sie gemeinsam ignorieren würden.
Sie waren Fremde, die im gleichen Haus lebten, Mann und Frau, die vor langer Zeit ihr Leben geteilt hatten, die gemeinsam gelacht und geliebt hatten und die jetzt durch eine Verantwortung aneinandergekettet waren, aus der sich keiner von beiden stehlen konnte.
O Gott, wie erbärmlich.
Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht und ermahnte sich, dass er sich auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren musste. Er sah auf die Uhr. Punkt zehn.
Zeigen Sie sich, hatte Hamilton ihm befohlen.
Er öffnete die Wagentür, stieg aus, ging ein paar Schritte und blieb ein Stück vor der Motorhaube stehen.
Die Hände hielt er locker an den Seiten und leicht vom Körper weg, ebenfalls wie von Hamilton befohlen. Die Grille erfüllte die Nachtluft weiter mit ihrem nervenzerreißenden Zirpen, aber Tom hörte sie kaum unter dem Pochen seines Herzens und seinem abgehackten Atem.
Er hörte den Mann nicht. Überhaupt nicht.
Er ahnte nicht einmal, dass er in seiner Nähe war, bis ein Pistolenlauf gegen seinen Hinterkopf drückte.
Als Coburn Honor erklärt hatte, was sie tun sollte, hatte sie protestiert. »Das widerspricht deinem Plan.«
»Es widerspricht dem Plan, den ich mit Hamilton verabredet habe.«
»Du hattest nie vor, mich an VanAllen zu übergeben?«
»Scheiße, nein. Jemand in seinem Büro arbeitet für den Bookkeeper. Ich weiß nicht, ob es VanAllen selbst ist, aber irgendwer hat Dreck am Stecken. Und wahrscheinlich gibt es dort nicht nur einen Spitzel. Der Bookkeeper muss höllische Angst haben, dass du irgendwas weißt oder wenigstens vermutest, und er will deinen Kopf nicht weniger als meinen.«
»Er kann mich doch nicht einfach erschießen lassen.«
»Und ob er das kann. Ich habe dir doch gesagt, in solchen Situationen, vor allem bei einem Geiseltausch, geht schnell irgendwas schief. Manchmal absichtlich. Du könntest ›versehentlich‹ getroffen
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